Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen. Mit Jesus Christus kommt immer - und immer wieder - die Freude.
Evangelii Gaudium 1
Wenn das innere Leben sich in den eigenen Interessen verschließt, gibt es keinen Raum mehr für die anderen, finden die Armen keinen Einlass mehr, hört man nicht mehr die Stimme Gottes, genießt man nicht mehr die innige Freude über seine Liebe, regt sich nicht die Begeisterung, das Gute zu tun.
Evangelii Gaudium 2
Ich lade jeden Christen ein, gleich an welchem Ort und in welcher Lage er sich befindet, noch heute seine persönliche Begegnung mit Jesus Christus zu erneuern oder zumindest den Entschluss zu fassen, sich von ihm finden zu lassen.
Evangelii Gaudium 3
Wer etwas wagt, den enttäuscht der Herr nicht, und wenn jemand einen kleinen Schritt auf Jesus zu macht, entdeckt er, dass dieser bereits mit offenen Armen auf sein Kommen wartete.
Evangelii Gaudium 3
Mit einem Feingefühl, das uns niemals enttäuscht und uns immer die Freude zurückgeben kann, erlaubt er uns, das Haupt zu erheben und neu zu beginnen. Fliehen wir nicht vor der Auferstehung Jesu, geben wir uns niemals geschlagen, was auch immer geschehen mag. Nichts soll stärker sein als sein Leben, das uns vorantreibt!
Evangelii Gaudium 3
Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt. Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt. (Zef 3,17)
Evangelii Gaudium 4
Es ist die Freude, die man in den kleinen Dingen des Alltags erlebt, als Antwort auf die liebevolle Einladung Gottes, unseres Vaters: Mein Sohn, wenn du imstande bist, pflege dich selbst (...) Versag dir nicht das Glück des heutigen Tages (Sir 14,11.14). Wie viel zärtliche Vaterliebe ist in diesen Worten zu spüren!
Evangelii Gaudium 4
Es gibt Christen, deren Lebensart wie eine Fastenzeit ohne Ostern erscheint. Doch ich gebe zu, dass man die Freude nicht in allen Lebensabschnitten und -umständen, die manchmal sehr hart sind, in gleicher Weise erlebt. Sie passt sich an und verwandelt sich, und bleibt immer wenigstens wie ein Lichtstrahl, der aus der persönlichen Gewissheit hervorgeht, jenseits von allem grenzenlos geliebt zu sein.
Evangelii Gaudium 6
Ich erinnere mich auch an die unverfälschte Freude derer, die es verstanden haben, sogar inmitten bedeutender beruflicher Verpflichtungen ein gläubiges, großzügiges und einfaches Herz zu bewahren.
Evangelii Gaudium 7
Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt. (Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est, 1)
Evangelii Gaudium 7
Unser volles Menschsein erreichen wir, wenn wir mehr als nur menschlich sind, wenn wir Gott erlauben, uns über uns selbst hinaus zu führen, damit wir zu unserem eigentlicheren Sein gelangen.
Evangelii Gaudium 8
Wenn man das Gute mitteilt, fasst es Fuß und entwickelt sich. Darum gibt es für jeden, der ein würdiges und erfülltes Leben zu führen wünscht, keinen anderen Weg, als den anderen anzuerkennen und sein Wohl zu suchen.
Evangelii Gaudium 9
Das Leben wird reicher, wenn man es hingibt; es verkümmert, wenn man sich isoliert und es sich bequem macht. Hier entdecken wir ein weiteres Grundgesetz der Wirklichkeit: Das Leben wird reifer und reicher, je mehr man es hingibt, um anderen Leben zu geben. Darin besteht letztendlich die Mission. (V. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik, Dokument von Aparecida, 360)
Evangelii Gaudium 10
Die Welt von heute, die sowohl in Angst wie in Hoffnung auf der Suche ist, möge die Frohbotschaft nicht aus dem Munde trauriger und mutlos gemachter Verkünder hören, die keine Geduld haben und ängstlich sind, sondern von Dienern des Evangeliums, deren Leben voller Glut erstrahlt, die als erste die Freude Christi in sich aufgenommen haben. (Papst Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 80)
Evangelii Gaudium 10
In jeglicher Form von Evangelisierung liegt der Vorrang immer bei Gott, der uns zur Mitarbeit mit ihm gerufen und uns mit der Kraft seines Geistes angespornt hat.
Evangelii Gaudium 12
Die Freude der Verkündigung erstrahlt immer auf dem Hintergrund der dankbaren Erinnerung: Es ist eine Gnade, die wir erbitten müssen.
Evangelii Gaudium 13
Alle haben das Recht, das Evangelium zu empfangen. Die Christen haben die Pflicht, es ausnahmslos allen zu verkünden, nicht wie jemand, der eine neue Verpflichtung auferlegt, sondern wie jemand, der eine Freude teilt, einen schönen Horizont aufzeigt, ein erstrebenswertes Festmahl anbietet. Die Kirche wächst nicht durch Prosyletismus, sondern » durch Anziehung «.
Evangelii Gaudium 14
Im Wort Gottes erscheint ständig diese Dynamik des "Aufbruchs", die Gott in den Gläubigen auslösen will.
Evangelii Gaudium 20
Heute sind in diesem "Geht" Jesu die immer neuen Situationen und Herausforderungen des Evangelisierungsauftrags der Kirche gegenwärtig, und wir alle sind zu diesem neuen missionarischen "Aufbruch" berufen. Jeder Christ und jede Gemeinschaft soll unterscheiden, welches der Weg ist, den der Herr verlangt, doch alle sind wir aufgefordert, diesen Ruf anzunehmen: hinauszugehen aus der eigenen Bequemlichkeit und den Mut zu haben, alle Randgebiete zu erreichen, die das Licht des Evangeliums brauchen.
Evangelii Gaudium 20
Die Freude aus dem Evangelium, die das Leben der Gemeinschaft der Jünger erfüllt, ist eine missionarische Freude. Diese Freude ist ein Zeichen, dass das Evangelium verkündet wurde und bereits Frucht bringt.
Evangelii Gaudium 21
Das Wort Gottes trägt in sich Anlagen, die wir nicht voraussehen können. Das Evangelium spricht von einem Samen, der, wenn er einmal ausgesät ist, von sich aus wächst, auch wenn der Bauer schläft (vgl. Mk 4,26-29). Die Kirche muss diese unfassbare Freiheit des Wortes akzeptieren, das auf seine Weise und in sehr verschiedenen Formen wirksam ist, die gewöhnlich unsere Prognosen übertreffen und unsere Schablonen sprengen.
Evangelii Gaudium 22
Die Kirche "im Aufbruch" ist die Gemeinschaft der missionarischen Jünger, die die Initiative ergreifen, die sich einbringen, die begleiten, die Frucht bringen und feiern.
Evangelii Gaudium 24
Die evangelisierende Gemeinde spürt, dass der Herr die Initiative ergriffen hat, ihr in der Liebe zuvorgekommen ist (vgl. 1 Joh 4,10), und deshalb weiß sie voranzugehen, versteht sie, furchtlos die Initiative zu ergreifen, auf die anderen zuzugehen, die Fernen zu suchen und zu den Wegkreuzungen zu gelangen, um die Ausgeschlossenen einzuladen. Sie empfindet einen unerschöpflichen Wunsch, Barmherzigkeit anzubieten - eine Frucht der eigenen Erfahrung der unendlichen Barmherzigkeit des himmlischen Vaters und ihrer Tragweite. Wagen wir ein wenig mehr, die Initiative zu ergreifen!
Evangelii Gaudium 24
Die evangelisierende Gemeinde stellt sich also darauf ein, zu "begleiten". Sie begleitet die Menschheit in all ihren Vorgängen, so hart und langwierig sie auch sein mögen. Sie kennt das lange Warten und die apostolische Ausdauer.
Evangelii Gaudium 24
Die evangelisierende Gemeinde achtet immer auf die Früchte, denn der Herr will, dass sie fruchtbar ist. Sie nimmt sich des Weizens an und verliert aufgrund des Unkrauts nicht ihren Frieden. Wenn der Sämann inmitten des Weizens das Unkraut aufkeimen sieht, reagiert er nicht mit Gejammer und Panik. Er findet den Weg, um dafür zu sorgen, dass das Wort Gottes in einer konkreten Situation Gestalt annimmt und Früchte neuen Lebens trägt, auch wenn diese scheinbar unvollkommen und unvollendet sind.
Evangelii Gaudium 24
Die fröhliche evangelisierende Gemeinde versteht immer zu "feiern". Jeden kleinen Sieg, jeden Schritt vorwärts in der Evangelisierung preist und feiert sie. Die freudige Evangelisierung wird zur Schönheit in der Liturgie inmitten der täglichen Anforderung, das Gute zu fördern. Die Kirche evangelisiert und evangelisiert sich selber mit der Schönheit der Liturgie, die auch Feier der missionarischen Tätigkeit und Quelle eines erneuerten Impulses zur Selbsthingabe ist.
Evangelii Gaudium 24
Es gibt kirchliche Strukturen, die eine Dynamik der Evangelisierung beeinträchtigen können; gleicherweise können die guten Strukturen nützlich sein, wenn ein Leben da ist, das sie beseelt, sie unterstützt und sie beurteilt. Ohne neues Leben und echten, vom Evangelium inspirierten Geist, ohne Treue der Kirche gegenüber ihrer eigenen Berufung wird jegliche neue Struktur in kurzer Zeit verderben.
Evangelii Gaudium 26
Ich träume von einer missionarischen Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient. Die Reform der Strukturen, die für die pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinn verstanden werden.
Evangelii Gaudium 27
Die Pfarrei ist keine hinfällige Struktur; gerade weil sie eine große Formbarkeit besitzt, kann sie ganz verschiedene Formen annehmen, die die innere Beweglichkeit und die missionarische Kreativität des Pfarrers und der Gemeinde erfordern.
Evangelii Gaudium 28
Die Pfarrei ist eine kirchliche Präsenz im Territorium, ein Bereich des Hörens des Wortes Gottes, des Wachstums des christlichen Lebens, des Dialogs, der Verkündigung, der großherzigen Nächstenliebe, der Anbetung und der liturgischen Feier.
Evangelii Gaudium 28
Die anderen kirchlichen Einrichtungen, Basisgemeinden und kleinen Gemeinschaften, Bewegungen und andere Formen von Vereinigungen sind ein Reichtum der Kirche, den der Geist erweckt, um alle Umfelder und Bereiche zu evangelisieren. Oftmals bringen sie einen neuen Evangelisierungs-Eifer und eine Fähigkeit zum Dialog mit der Welt ein, die zur Erneuerung der Kirche beitragen. Aber es ist sehr nützlich, dass sie nicht den Kontakt mit dieser so wertvollen Wirklichkeit der örtlichen Pfarrei verlieren und dass sie sich gerne in die organische Seelsorge der Teilkirche einfügen.
Evangelii Gaudium 30
Der Bischof muss immer das missionarische Miteinander in seiner Diözese fördern, indem er das Ideal der ersten christlichen Gemeinden verfolgt, in denen die Gläubigen ein Herz und eine Seele waren (vgl. Apg 4,32). Darum wird er sich bisweilen an die Spitze stellen, um den Weg anzuzeigen und die Hoffnung des Volkes aufrecht zu erhalten, andere Male wird er einfach inmitten aller sein mit seiner schlichten und barmherzigen Nähe, und bei einigen Gelegenheiten wird er hinter dem Volk hergehen, um denen zu helfen, die zurückgeblieben sind, und vor allem weil die Herde selbst ihren Spürsinn besitzt, um neue Wege zu finden.
Evangelii Gaudium 31
Die Seelsorge unter missionarischem Gesichtspunkt verlangt, das bequeme pastorale Kriterium des "Es wurde immer so gemacht" aufzugeben. Ich lade alle ein, wagemutig und kreativ zu sein in dieser Aufgabe, die Ziele, die Strukturen, den Stil und die Evangelisierungs- Methoden der eigenen Gemeinden zu überdenken.
Evangelii Gaudium 33
Wichtig ist, Alleingänge zu vermeiden, sich immer auf die Brüder und Schwestern und besonders auf die Führung der Bischöfe zu verlassen, in einer weisen und realistischen pastoralen Unterscheidung.
Evangelii Gaudium 33
Eine Seelsorge unter missionarischem Gesichtspunkt steht nicht unter dem Zwang der zusammenhanglosen Vermittlung einer Vielzahl von Lehren, die man durch unnachgiebige Beharrlichkeit aufzudrängen sucht. Wenn man ein pastorales Ziel und einen missionarischen Stil übernimmt, der wirklich alle ohne Ausnahmen und Ausschließung erreichen soll, konzentriert sich die Verkündigung auf das Wesentliche, auf das, was schöner, größer, anziehender und zugleich notwendiger ist. Die Aussage vereinfacht sich, ohne dadurch Tiefe und Wahrheit einzubüßen, und wird so überzeugender und strahlender.
Evangelii Gaudium 35
Der heilige Thomas von Aquin lehrte, dass es auch in der moralischen Botschaft der Kirche eine Hierarchie gibt, in den Tugenden und in den Taten, die aus ihnen hervorgehen (vgl. Summa Theologiae I-II, q. 66, a. 4-6). Hier ist das, worauf es ankommt, vor allem "den Glauben zu haben, der in der Liebe wirksam ist" (Gal 5,6).
Evangelii Gaudium 37
An sich ist die Barmherzigkeit die größte der Tugenden. Denn es gehört zum Erbarmen, dass es sich auf die anderen ergießt und "was mehr ist" der Schwäche der anderen aufhilft; und das gerade ist Sache des Höherstehenden. Deshalb wird das Erbarmen gerade Gott als Wesensmerkmal zuerkannt; und es heißt, dass darin am meisten seine Allmacht offenbar wird. (Thomas von Aquin, Summa Theologiae I-II, q. 108, a. 1)
Evangelii Gaudium37
Vor allem ist zu sagen, dass in der Verkündigung des Evangeliums notwendigerweise ein rechtes Maß herrschen muss.
Evangelii Gaudium 38
Man darf die Vollständigkeit der Botschaft des Evangeliums nicht verstümmeln. Außerdem versteht man jede Wahrheit besser, wenn man sie in Beziehung zu der harmonischen Ganzheit der christlichen Botschaft setzt, und in diesem Zusammenhang haben alle Wahrheiten ihre Bedeutung und erhellen sich gegenseitig.
Evangelii Gaudium 39
Das Evangelium lädt vor allem dazu ein, dem Gott zu antworten, der uns liebt und uns rettet. Diese Einladung darf unter keinen Umständen verdunkelt werden! Alle Tugenden stehen im Dienst dieser Antwort der Liebe. Wenn diese Einladung nicht stark und anziehend leuchtet, riskiert das moralische Gebäude der Kirche, ein Kartenhaus zu werden, und das ist unsere schlimmste Gefahr. Denn dann wird es nicht eigentlich das Evangelium sein, was verkündet wird, sondern einige lehrmäßige oder moralische Schwerpunkte, die aus bestimmten theologischen Optionen hervorgehen.
Evangelii Gaudium 39
Die verschiedenen Richtungen des philosophischen, theologischen und pastoralen Denkens können, wenn sie sich vom Geist in der gegenseitigen Achtung und Liebe in Einklang bringen lassen, zur Entfaltung der Kirche beitragen, weil sie helfen, den äußerst reichen Schatz des Wortes besser deutlich zu machen. Denjenigen, die sich eine monolithische, von allen ohne Nuancierungen verteidigte Lehre erträumen, mag das als Unvollkommenheit und Zersplitterung erscheinen. Doch in Wirklichkeit hilft diese Vielfalt, die verschiedenen Aspekte des unerschöpflichen Reichtums des Evangeliums besser zu zeigen und zu entwickeln.
Evangelii Gaudium 40
Zugleich erfordern die enormen und schnellen kulturellen Veränderungen, dass wir stets unsere Aufmerksamkeit darauf richten und versuchen, die ewigen Wahrheiten in einer Sprache auszudrücken, die deren ständige Neuheit durchscheinen lässt.
Evangelii Gaudium 41
Manchmal ist das, was die Gläubigen beim Hören einer vollkommen musterhaften Sprache empfangen, aufgrund ihres eigenen Sprachgebrauchs und -verständnisses etwas, was nicht dem wahren Evangelium Jesu Christi entspricht. In der heiligen Absicht, ihnen die Wahrheit über Gott und den Menschen zu vermitteln, geben wir ihnen bei manchen Gelegenheiten einen falschen "Gott" und ein menschliches Ideal, das nicht wirklich christlich ist. Auf diese Weise sind wir einer Formulierung treu, überbringen aber nicht die Substanz.
Evangelii Gaudium 41
Die Ausdrucksform der Wahrheit kann vielgestaltig sein. Und die Erneuerung der Ausdrucksformen erweist sich als notwendig, um die Botschaft vom Evangelium in ihrer unwandelbaren Bedeutung an den heutigen Menschen weiterzugeben. (Papst Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, 19)
Evangelii Gaudium 41
Darum ist daran zu erinnern, dass jede Unterweisung in der Lehre in einer Haltung der Evangelisierung geschehen muss, die durch die Nähe, die Liebe und das Zeugnis die Zustimmung des Herzens weckt.
Evangelii Gaudium 42
Die Priester erinnere ich daran, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein darf, sondern ein Ort der Barmherzigkeit des Herrn, die uns anregt, das mögliche Gute zu tun. Ein kleiner Schritt inmitten großer menschlicher Begrenzungen kann Gott wohlgefälliger sein als das äußerlich korrekte Leben dessen, der seine Tage verbringt, ohne auf nennenswerte Schwierigkeiten zu stoßen.
Evangelii Gaudium 44
So sehen wir, dass der evangelisierende Einsatz sich innerhalb der Grenzen der Sprache und der Umstände bewegt. Er versucht immer, die Wahrheit des Evangeliums in einem bestimmten Kontext bestmöglich mitzuteilen, ohne auf die Wahrheit, das Gute und das Licht zu verzichten, die eingebracht werden können, wenn die Vollkommenheit nicht möglich ist.
Evangelii Gaudium 45
Die Kirche ist berufen, immer das offene Haus des Vaters zu sein. Eines der konkreten Zeichen dieser Öffnung ist es, überall Kirchen mit offenen Türen zu haben.
Evangelii Gaudium 46
Doch es gibt noch andere Türen, die ebenfalls nicht geschlossen werden dürfen. Alle können in irgendeiner Weise am kirchlichen Leben teilnehmen, alle können zur Gemeinschaft gehören, und auch die Türen der Sakramente dürften nicht aus irgendeinem beliebigen Grund geschlossen werden. Das gilt vor allem, wenn es sich um jenes Sakrament handelt, das "die Tür" ist: die Taufe.
Evangelii Gaudium 47
Die Eucharistie ist, obwohl sie die Fülle des sakramentalen Lebens darstellt, nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen.
Evangelii Gaudium 47
Heute und immer gilt: Die Armen sind die ersten Adressaten des Evangeliums, und die unentgeltlich an sie gerichtete Evangelisierung ist ein Zeichen des Reiches, das zu bringen Jesus gekommen ist.
Evangelii Gaudium 48
Brechen wir auf, gehen wir hinaus, um allen das Leben Jesu Christi anzubieten!
Evangelii Gaudium 49
Mir ist eine "verbeulte" Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.
Evangelii Gaudium 49
Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist.
Evangelii Gaudium 49
Ich hoffe, dass mehr als die Furcht, einen Fehler zu machen, unser Beweggrund die Furcht sei, uns einzuschließen in die Strukturen, die uns einen falschen Schutz geben, in die Normen, die uns in unnachsichtige Richter verwandeln, in die Gewohnheiten, in denen wir uns ruhig fühlen, während draußen eine hungrige Menschenmenge wartet und Jesus uns pausenlos wiederholt: » Gebt ihr ihnen zu essen! « (Mk 6,37).
Evangelii Gaudium 49
Ebenso wie das Gebot "du sollst nicht töten" eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein "Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen" sagen. Diese Wirtschaft tötet.
Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht.
Das ist Ausschließung.
Evangelii Gaudium 53
Um einen Lebensstil vertreten zu können, der die anderen ausschließt, hat sich eine Globalisierung der Gleichgültigkeit entwickelt. Fast ohne es zu merken, werden wir unfähig, Mitleid zu empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen. Die Kultur des Wohlstands betäubt uns, und wir verlieren die Ruhe, wenn der Markt etwas anbietet, was wir noch nicht gekauft haben, während alle diese wegen fehlender Möglichkeiten unterdrückten Leben uns wie ein bloßes Schauspiel erscheinen, das uns in keiner Weise erschüttert.
Evangelii Gaudium 54
Die weltweite Krise, die das Finanzwesen und die Wirtschaft erfasst, macht ihre Unausgeglichenheiten und vor allem den schweren Mangel an einer anthropologischen Orientierung deutlich ein Mangel, der den Menschen auf nur eines seiner Bedürfnisse reduziert: auf den Konsum.
Evangelii Gaudium 55
Die Ethik - eine nicht ideologisierte Ethik - erlaubt, ein Gleichgewicht und eine menschlichere Gesellschaftsordnung zu schaffen. Das Geld muss dienen und nicht regieren!
Evangelii Gaudium 57
Wir evangelisieren auch dann, wenn wir versuchen, uns den verschiedenen Herausforderungen zu stellen, die auftauchen können.
Evangelii Gaudium 61
Geben wir zu, dass in einer Kultur, in der jeder Träger einer eigenen subjektiven Wahrheit sein will, die Bürger schwerlich das Verlangen haben, sich an einem gemeinsamen Projekt zu beteiligen, das die persönlichen Interessen und Wünsche übersteigt.
Evangelii Gaudium 61
Außerdem müssen wir zugeben, dass, wenn ein Teil unserer Getauften die eigene Zugehörigkeit zur Kirche nicht empfindet, das auch manchen Strukturen und einem wenig aufnahmebereiten Klima in einigen unserer Pfarreien und Gemeinden zuzuschreiben ist. Vielerorts besteht eine Vorherrschaft des administrativen Aspekts vor dem seelsorglichen sowie eine Sakramentalisierung ohne andere Formen der Evangelisierung.
Evangelii Gaudium 63
Wir leben in einer Informationsgesellschaft, die uns wahllos mit Daten überhäuft, alle auf derselben Ebene, und uns schließlich in eine erschreckende Oberflächlichkeit führt, wenn es darum geht, die moralischen Fragen anzugehen. Folglich wird eine Erziehung notwendig, die ein kritisches Denken lehrt und einen Weg der Reifung in den Werten bietet.
Evangelii Gaudium 64
Trotz der ganzen laizistischen Strömung, die die Gesellschaft überschwemmt, ist die Kirche in vielen Ländern - auch dort, wo das Christentum in der Minderheit ist - in der öffentlichen Meinung eine glaubwürdige Einrichtung, zuverlässig in Bezug auf den Bereich der Solidarität und der Sorge für die am meisten Bedürftigen. Bei vielen Gelegenheiten hat sie als Mittlerin gedient, um die Lösung von Problemen zu fördern, die den Frieden, die Eintracht, die Umwelt, den Schutz des Lebens, die Menschenrechte und die Zivilrechte usw. betreffen.
Evangelii Gaudium 65
Während in der Welt, besonders in einigen Ländern, erneut verschiedene Formen von Kriegen und Auseinandersetzungen aufkommen, beharren wir Christen auf dem Vorschlag, den anderen anzuerkennen, die Wunden zu heilen, Brücken zu bauen, Beziehungen zu knüpfen und einander zu helfen.
Evangelii Gaudium 67
Es ist nicht gut, die entscheidende Bedeutung zu übersehen, welche eine vom Glauben gezeichnete Kultur hat, denn diese evangelisierte Kultur besitzt jenseits ihrer Grenzen viel mehr Möglichkeiten als eine einfache Summe von Gläubigen, die den Angriffen des heutigen Säkularismus ausgesetzt ist.
Evangelii Gaudium 68
Eine evangelisierte Volkskultur enthält Werte des Glaubens und der Solidarität, die die Entwicklung einer gerechteren und gläubigeren Gesellschaft auslösen können. Zudem besitzt sie eine besondere Weisheit, und man muss verstehen, diese mit einem Blick voller Dankbarkeit zu erkennen.
Evangelii Gaudium 68
Es ist dringend notwendig, die Kulturen zu evangelisieren, um das Evangelium zu inkulturieren.
Evangelii Gaudium 69
Wir müssen die Stadt von einer kontemplativen Sicht her, das heißt mit einem Blick des Glaubens erkennen, der jenen Gott entdeckt, der in ihren Häusern, auf ihren Straßen und auf ihren Plätzen wohnt. Die Gegenwart Gottes begleitet die aufrichtige Suche, die Einzelne und Gruppen vollziehen, um Halt und Sinn für ihr Leben zu finden.
Evangelii Gaudium 71
Diese Gegenwart muss nicht hergestellt, sondern entdeckt, enthüllt werden. Gott verbirgt sich nicht vor denen, die ihn mit ehrlichem Herzen suchen, auch wenn sie das tastend, auf unsichere und weitschweifige Weise tun.
Evangelii Gaudium 71
Im Alltag kämpfen die Bürger oftmals ums Überleben, und in diesem Kampf verbirgt sich ein tiefes Empfinden für das Leben, das gewöhnlich auch ein tiefes religiöses Empfinden einschließt. Das müssen wir berücksichtigen, um einen Dialog zu erzielen wie den, welchen der Herr mit der Samariterin am Brunnen führte, wo sie ihren Durst zu stillen suchte (vgl. Joh 4,7-26).
Evangelii Gaudium 72
Es entstehen fortwährend neue Kulturen in diesen riesigen menschlichen Geographien, wo der Christ gewöhnlich nicht mehr derjenige ist, der Sinn fördert oder stiftet, sondern derjenige, der von diesen Kulturen andere Sprachgebräuche, Symbole, Botschaften und Paradigmen empfängt, die neue Lebensorientierungen bieten, welche häufig im Gegensatz zum Evangelium Jesu stehen. Das erfordert, neuartige Räume für Gebet und Gemeinschaft zu erfinden, die für die Stadtbevölkerungen anziehender und bedeutungsvoller sind.
Evangelii Gaudium 73
Doch das Menschliche bis zum Grunde zu leben und als ein Ferment des Zeugnisses ins Innerste der Herausforderungen einzudringen, in jeder beliebigen Kultur, in jeder beliebigen Stadt, lässt den Christen besser werden und befruchtet die Stadt.
Evangelii Gaudium 75
Ich bin unendlich dankbar für den Einsatz aller, die in der Kirche arbeiten.
Evangelii Gaudium 76
Ich danke für das schöne Beispiel, das viele Christen mir geben, die ihr Leben und ihre Zeit freudig hingeben.
Evangelii Gaudium 76
Das Problem ist nicht immer das Übermaß an Aktivität, sondern es sind vor allem die schlecht gelebten Aktivitäten, ohne die entsprechenden Beweggründe, ohne eine Spiritualität, die die Tätigkeit prägt und wünschenswert macht. Es handelt sich nicht um eine friedvoll-heitere Anstrengung, sondern um eine angespannte, drückende, unbefriedigende und letztlich nicht akzeptierte Mühe.
Evangelii Gaudium 82
So nimmt die größte Bedrohung Form an, der "graue Pragmatismus des kirchlichen Alltags, bei dem scheinbar alles mit rechten Dingen zugeht, in Wirklichkeit aber der Glaube verbraucht wird und ins Schäbige absinkt" (Joseph Ratzinger).
Evangelii Gaudium 83
Die Freude aus dem Evangelium kann nichts und niemand uns je nehmen (vgl. Joh 16,22). Die Übel unserer Welt - und die der Kirche - dürften niemals Entschuldigungen sein, um unseren Einsatz und unseren Eifer zu verringern. Betrachten wir sie als Herausforderungen, um zu wachsen.
Evangelii Gaudium 84
Außerdem ist der Blick des Glaubens fähig, das Licht zu erkennen, das der Heilige Geist immer inmitten der Dunkelheit verbreitet.
Evangelii Gaudium 84
Unser Glaube ist herausgefordert, den Wein zu erahnen, in den das Wasser verwandelt werden kann, und den Weizen zu entdecken, der inmitten des Unkrauts wächst.
Evangelii Gaudium 84
Eine der ernsthaftesten Versuchungen, die den Eifer und den Wagemut ersticken, ist das Gefühl der Niederlage, das uns in unzufriedene und ernüchterte Pessimisten mit düsterem Gesicht verwandelt.
Evangelii Gaudium 85
Niemand kann einen Kampf aufnehmen, wenn er im Voraus nicht voll auf den Sieg vertraut. Wer ohne Zuversicht beginnt, hat von vornherein die Schlacht zur Hälfte verloren und vergräbt die eigenen Talente. Auch wenn man sich schmerzlich der eigenen Schwäche bewusst ist, muss man vorangehen, ohne sich geschlagen zu geben.
Evangelii Gaudium 85
Heute, da die Netze und die Mittel menschlicher Kommunikation unglaubliche Entwicklungen erreicht haben, spüren wir die Herausforderung, die "Mystik" zu entdecken und weiterzugeben, die darin liegt, zusammen zu leben, uns unter die anderen zu mischen, einander zu begegnen, uns in den Armen zu halten, uns anzulehnen, teilzuhaben an dieser etwas chaotischen Menge, die sich in eine wahre Erfahrung von Brüderlichkeit verwandeln kann, in eine solidarische Karawane, in eine heilige Wallfahrt.
Evangelii Gaudium 87
Das christliche Ideal wird immer dazu auffordern, den Verdacht, das ständige Misstrauen, die Angst überschwemmt zu werden, die defensiven Verhaltensweisen, die die heutige Welt uns auferlegt, zu überwinden.
Evangelii Gaudium 88
Unterdessen lädt das Evangelium uns immer ein, das Risiko der Begegnung mit dem Angesicht des anderen einzugehen, mit seiner physischen Gegenwart, die uns anfragt, mit seinem Schmerz und seinen Bitten, mit seiner ansteckenden Freude in einem ständigen unmittelbar physischen Kontakt.
Evangelii Gaudium 88
Es ist nötig, zu der Einsicht zu verhelfen, dass der einzige Weg darin besteht zu lernen, den Mitmenschen in der rechten Haltung zu begegnen, indem man sie schätzt und als Weggefährten akzeptiert ohne innere Widerstände. Noch besser: Es geht darum zu lernen, Jesus im Gesicht der anderen, in ihrer Stimme, in ihren Bitten zu erkennen.
Evangelii Gaudium 91
Dort liegt die wahre Heilung, da die wirklich gesund und nicht krank machende Weise, mit anderen in Beziehung zu treten, eine mystische, kontemplative Brüderlichkeit ist, die die heilige Größe des Nächsten zu sehen weiß; die in jedem Menschen Gott zu entdecken weiß; die die Lästigkeiten des Zusammenlebens zu ertragen weiß, indem sie sich an die Liebe Gottes klammert; die das Herz für die göttliche Liebe zu öffnen versteht, um das Glück der anderen zu suchen, wie es ihr guter himmlischer Vater sucht.
Evangelii Gaudium 92
Stattdessen unterhalten wir uns eitel und sprechen über "das, was man tun müsste"; die Sünde des "man müsste tun" wie spirituelle Lehrer und Experten der Seelsorge, die einen Weg weisen, ihn selber aber nicht gehen. Wir pflegen unsere grenzenlose Fantasie und verlieren den Kontakt zu der durchlittenen Wirklichkeit unseres gläubigen Volkes.
Evangelii Gaudium 96
Die spirituelle Weltlichkeit führt einige Christen dazu, im Krieg mit anderen Christen zu sein, die sich ihrem Streben nach Macht, Ansehen, Vergnügen oder wirtschaftlicher Sicherheit in den Weg stellen. Außerdem hören einige auf, sich von Herzen zur Kirche gehörig zu fühlen, um einen Geist der Streitbarkeit zu nähren. Mehr als zur gesamten Kirche mit ihrer reichen Vielfalt, gehören sie zu dieser oder jener Gruppe, die sich als etwas Anderes oder etwas Besonderes empfindet.
Evangelii Gaudium 98
Die Christen aller Gemeinschaften der Welt möchte ich besonders um ein Zeugnis brüderlichen Miteinanders bitten, das anziehend und erhellend wird.
Evangelii Gaudium 99
Wir sind im selben Boot und steuern denselben Hafen an! Erbitten wir die Gnade, uns über die Früchte der anderen zu freuen, die allen gehören.
Evangelii Gaudium 99
Bitten wir den Herrn, dass er uns das Gesetz der Liebe verstehen lässt. Wie gut ist es, dieses Gesetz zu besitzen! Wie gut tut es uns, einander zu lieben, über alles hinweg! Ja, über alles hinweg!
Evangelii Gaudium 101
Alle haben wir Sympathien und Antipathien, und vielleicht sind wir gerade in diesem Moment zornig auf jemanden. Sagen wir wenigstens zum Herrn: "Herr, ich bin zornig auf diesen, auf jene. Ich bitte dich für ihn und für sie. Für den Menschen, über den wir ärgerlich sind, zu beten, ist ein schöner Schritt auf die Liebe zu, und es ist eine Tat der Evangelisierung. Tun wir es heute! Lassen wir uns nicht das Ideal der Bruderliebe nehmen!
Evangelii Gaudium 101
Die Laien sind schlicht die riesige Mehrheit des Gottesvolkes. In ihrem Dienst steht eine Minderheit: die geweihten Amtsträger. Das Bewusstsein der Identität und des Auftrags der Laien in der Kirche ist gewachsen. Wir verfügen über ein zahlenmäßig starkes, wenn auch nicht ausreichendes Laientum mit einem verwurzelten Gemeinschaftssinn und einer großen Treue zum Einsatz in der Nächstenliebe, der Katechese, der Feier des Glaubens.
Evangelii Gaudium 102
Auch wenn eine größere Teilnahme vieler an den Laiendiensten zu beobachten ist, wirkt sich dieser Einsatz nicht im Eindringen christlicher Werte in die soziale, politische und wirtschaftliche Welt aus. Er beschränkt sich vielmals auf innerkirchliche Aufgaben ohne ein wirkliches Engagement für die Anwendung des Evangeliums zur Verwandlung der Gesellschaft. Die Bildung der Laien und die Evangelisierung der beruflichen und intellektuellen Klassen stellen eine bedeutende pastorale Herausforderung dar.
Evangelii Gaudium 102
Die Kirche erkennt den unentbehrlichen Beitrag an, den die Frau in der Gesellschaft leistet, mit einem Feingefühl, einer Intuition und gewissen charakteristischen Fähigkeiten, die gewöhnlich typischer für die Frauen sind als für die Männer.
Evangelii Gaudium 103
Doch müssen die Räume für eine wirksamere weibliche Gegenwart in der Kirche noch erweitert werden. Denn "das weibliche Talent ist unentbehrlich in allen Ausdrucksformen des Gesellschaftslebens; aus diesem Grund muss die Gegenwart der Frauen auch im Bereich der Arbeit garantiert werden" (Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kpmpednium der Soziallehre der Kirche, 295) und an den verschiedenen Stellen, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden, in der Kirche ebenso wie in den sozialen Strukturen.
Evangelii Gaudium 103
Die Beanspruchung der legitimen Rechte der Frauen aufgrund der festen Überzeugung, dass Männer und Frauen die gleiche Würde besitzen, stellt die Kirche vor tiefe Fragen, die sie herausfordern und die nicht oberflächlich umgangen werden können. Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht, kann aber Anlass zu besonderen Konflikten geben, wenn die sakramentale Vollmacht zu sehr mit der Macht verwechselt wird. Man darf nicht vergessen, dass wir uns, wenn wir von priesterlicher Vollmacht reden, auf der Ebene der Funktion und nicht auf der Ebene der Würde und der Heiligkeit befinden.
Evangelii Gaudium 104
Die Jugendlichen finden in den üblichen Strukturen oft keine Antworten auf ihre Sorgen, Nöte, Probleme und Verletzungen. Uns Erwachsenen verlangt es etwas ab, ihnen geduldig zuzuhören, ihre Sorgen und ihre Forderungen zu verstehen und zu lernen, mit ihnen eine Sprache zu sprechen, die sie verstehen.
Evangelii Gaudium 105
Das Wachsen von Verbänden und Bewegungen vornehmlich junger Menschen kann als ein Wirken des Heiligen Geistes interpretiert werden, der neue Wege öffnet, die mit ihren Erwartungen und ihrer Suche nach einer tiefen Spiritualität und nach dem Gefühl einer konkreteren Zugehörigkeit im Einklang stehen. Es ist jedoch notwendig, die Beteiligung dieser Gruppen innerhalb der Gesamtpastoral der Kirche zu festigen.
Evangelii Gaudium 105
Die Herausforderungen existieren, um überwunden zu werden. Seien wir realistisch, doch ohne die Heiterkeit, den Wagemut und die hoffnungsvolle Hingabe zu verlieren! Lassen wir uns die missionarische Kraft nicht nehmen!
Evangelii Gaudium 109
Es kann keine wahre Evangelisierung geben ohne eindeutige Verkündigung, dass Jesus der Herr ist, und ohne den Primat der Verkündigung Jesu Christi - wie auch immer die Evangelisierung geschehen mag. (Johannes Paul II. , Ecclesia in Asia, 19)
Evangelii Gaudium 110
Die Evangelisierung ist Aufgabe der Kirche. Aber dieses Subjekt der Evangelisierung ist weit mehr als eine organische und hierarchische Institution, da es vor allem ein Volk auf dem Weg zu Gott ist.
Evangelii Gaudium 111
Die Kirche ist von Jesus Christus gesandt als das von Gott angebotene Sakrament des Heiles. Durch ihr evangelisierendes Tun arbeitet sie mit als Werkzeug der göttlichen Gnade, die unaufhörlich und jenseits jeder möglichen Kontrolle wirkt.
Evangelii Gaudium 112
Niemand erlangt das Heil allein, das heißt weder als isoliertes Individuum, noch aus eigener Kraft. Gott zieht uns an, indem er den vielschichtigen Verlauf der zwischenmenschlichen Beziehungen berücksichtigt, den das Leben in einer menschlichen Gemeinschaft mit sich bringt.
Evangelii Gaudium 113
Dieses Volk, das Gott sich erwählt und zusammengerufen hat, ist die Kirche.
Evangelii Gaudium 113
Kirche sein bedeutet Volk Gottes sein, in Übereinstimmung mit dem großen Plan der Liebe des Vaters. Das schließt ein, das Ferment Gottes inmitten der Menschheit zu sein. Es bedeutet, das Heil Gottes in dieser unserer Welt zu verkünden und es hineinzutragen in diese unsere Welt.
Evangelii Gaudium 114
Die Kirche muss der Ort der ungeschuldeten Barmherzigkeit sein, wo alle sich aufgenommen und geliebt fühlen können, wo sie Verzeihung erfahren und sich ermutigt fühlen können, gemäß dem guten Leben des Evangeliums zu leben.
Evangelii Gaudium 114
Der Begriff der Kultur ist ein wertvolles Instrument, um die verschiedenen Ausdrucksformen des christlichen Lebens zu verstehen, die es im Volk Gottes gibt.
Evangelii Gaudium 115
Der Mensch ist immer kulturell beheimatet: Natur und Kultur hängen engstens zusammen.Die Gnade setzt die Kultur voraus, und die Gabe Gottes nimmt Gestalt an in der Kultur dessen, der sie empfängt.
Evangelii Gaudium 115
In den verschiedenen Völkern, die die Gabe Gottes entsprechend ihrer eigenen Kultur erfahren, drückt die Kirche ihre authentische Katholizität aus und zeigt die »Schönheit dieses vielseitigen Gesichtes«[89]. In den christlichen Ausdrucksformen eines evangelisierten Volkes verschönert der Heilige Geist die Kirche, indem er ihr neue Aspekte der Offenbarung zeigt und ihr ein neues Gesicht schenkt.
Evangelii Gaudium 116
Wenn sie richtig verstanden wird, bedroht die kulturelle Verschiedenheit die Einheit der Kirche nicht. Der vom Vater und vom Sohn gesandte Heilige Geist ist es, der unsere Herzen verwandelt und uns fähig macht, in die vollkommene Gemeinschaft der Heiligsten Dreifaltigkeit einzutreten, wo alles zur Einheit findet.
Evangelii Gaudium 117
Die Evangelisierung erkennt freudig diesen vielfältigen Reichtum, den der Heilige Geist in der Kirche erzeugt. Es würde der Logik der Inkarnation nicht gerecht, an ein monokulturelles und eintöniges Christentum zu denken.
Evangelii Gaudium 117
Darum kann man bei der Evangelisierung neuer Kulturen oder solcher, die die christliche Verkündigung noch nicht aufgenommen haben, darauf verzichten, zusammen mit dem Angebot des Evangeliums eine bestimmte Kulturform durchsetzen zu wollen, so schön und alt sie auch sein mag.
Evangelii Gaudium 117
Die Botschaft, die wir verkünden, weist immer irgendeine kulturelle Einkleidung vor, doch manchmal verfallen wir in der Kirche der selbstgefälligen Sakralisierung der eigenen Kultur, und damit können wir mehr Fanatismus als echten Missionseifer erkennen lassen.
Evangelii Gaudium 117
Jeder Getaufte ist, unabhängig von seiner Funktion in der Kirche und dem Bildungsniveau seines Glaubens, aktiver Träger der Evangelisierung, und es wäre unangemessen, an einen Evangelisierungsplan zu denken, der von qualifizierten Mitarbeitern umgesetzt würde, wobei der Rest des gläubigen Volkes nur Empfänger ihres Handelns wäre.
Evangelii Gaudium 120
Wenn einer nämlich wirklich die ihn rettende Liebe Gottes erfahren hat, braucht er nicht viel Vorbereitungszeit, um sich aufzumachen und sie zu verkündigen.
Evangelii Gaudium 120
Jeder Christ ist in dem Maß Missionar, in dem er der Liebe Gottes in Jesus Christus begegnet ist.
Evangelii Gaudium 120
Gewiss sind wir alle gerufen, als Verkünder des Evangeliums zu wachsen.
Evangelii Gaudium 121
Zugleich bemühen wir uns um eine bessere Ausbildung, eine Vertiefung unserer Liebe und ein deutlicheres Zeugnis für das Evangelium. Daher müssen wir uns alle gefallen lassen, dass die anderen uns ständig evangelisieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir unterdessen von unserer Aufgabe zu evangelisieren absehen müssen, sondern wir sollen die Weise finden, die der Situation angemessen ist, in der wir uns befinden.
Evangelii Gaudium 121
In jedem Fall sind wir alle gerufen, den anderen ein klares Zeugnis der heilbringenden Liebe des Herrn zu geben, der uns jenseits unserer Unvollkommenheiten seine Nähe, sein Wort und seine Kraft schenkt und unserem Leben Sinn verleiht.
Evangelii Gaudium 121
Dein Herz weiß, dass das Leben ohne ihn nicht dasselbe ist. Was du entdeckt hast, was dir zu leben hilft und dir Hoffnung gibt, das sollst du den anderen mitteilen.
Evangelii Gaudium 121
Unsere Unvollkommenheit darf keine Entschuldigung sein; im Gegenteil, die Aufgabe ist ein ständiger Anreiz, sich nicht der Mittelmäßigkeit hinzugeben, sondern weiter zu wachsen.
Evangelii Gaudium 121
Jeder Teil des Gottesvolkes gibt, indem er die Gabe Gottes dem eigenen Geist entsprechend in sein Leben überträgt, Zeugnis für den empfangenen Glauben und bereichert ihn mit neuen, aussagekräftigen Ausdrucksformen. Man kann sagen: Das Volk evangelisiert fortwährend sich selbst.
Evangelii Gaudium 122
Da die Volksfrömmigkeit Frucht des inkulturierten Evangeliums ist, ist in ihr eine aktiv evangelisierende Kraft eingeschlossen, die wir nicht unterschätzen dürfen; anderenfalls würden wir die Wirkung des Heiligen Geistes verkennen.
Evangelii Gaudium 126
Jünger sein bedeutet, ständig bereit zu sein, den anderen die Liebe Jesu zu bringen, und das geschieht spontan an jedem beliebigen Ort, am Weg, auf dem Platz, bei der Arbeit, auf einer Straße.
Evangelii Gaudium 127
Auch wenn es Mühe kostet: Die Gemeinschaft ist der Ort, wo ein Charisma sich als echt und geheimnisvoll fruchtbar erweist.
Evangelii Gaudium 130
Die Unterschiede zwischen den Menschen und den Gemeinschaften sind manchmal lästig, doch der Heilige Geist, der diese Verschiedenheiten hervorruft, kann aus allem etwas Gutes ziehen.
Evangelii Gaudium 131
Die Verschiedenheit muss mit Hilfe des Heiligen Geistes immer versöhnt sein; nur er kann die Verschiedenheit, die Pluralität, die Vielfalt hervorbringen und zugleich die Einheit verwirklichen.
Evangelii Gaudium 131
Wenn hingegen wir es sind, die auf der Verschiedenheit beharren, und uns in unsere Partikularismen, in unsere Ausschließlichkeiten zurückziehen, verursachen wir die Spaltung, und wenn andererseits wir mit unseren menschlichen Plänen die Einheit schaffen wollen, zwingen wir schließlich die Eintönigkeit, die Vereinheitlichung auf. Das hilft der Mission der Kirche nicht.
Evangelii Gaudium 131
Die katholischen Schulen, die immer versuchen, ihre erzieherische Aufgabe mit der ausdrücklichen Verkündigung des Evangeliums zu verbinden, stellen einen sehr wertvollen Beitrag zur Evangelisierung der Kultur dar, auch in den Ländern und in den Städten, wo eine ungünstige Situation uns anregt, unsere Kreativität einzusetzen, um die geeigneten Wege zu finden.
Evangelii Gaudium 134
Es wird von uns nicht verlangt, dass wir makellos sind, sondern vielmehr, dass wir immer im Wachsen begriffen sind, dass wir in dem tiefen Wunsch leben, auf dem Weg des Evangeliums voranzuschreiten, und den Mut nicht verlieren.
Evangelii Gaudium 151
Ein anziehendes Bild lässt die Botschaft als etwas empfinden, das vertraut, nahe, möglich ist und mit dem eigenen Leben in Verbindung gebracht wird. Ein gelungenes Bild kann dazu führen, dass die Botschaft, die man vermitteln will, ausgekostet wird; es weckt einen Wunsch und motiviert den Willen im Sinne des Evangeliums.
Evangelii Gaudium 157
Um nicht Gefahr zu laufen, umsonst zu sprechen, muss es die Sprache sein, die die Adressaten verstehen.
Evangelii Gaudium 158
Von dem, der evangelisiert, werden demnach bestimmte Haltungen verlangt, die die Annahme der Verkündigung erleichtern: Nähe, Bereitschaft zum Dialog, Geduld, herzliches Entgegenkommen, das nicht verurteilt.
Evangelii Gaudium 165
Es ist gut, dass jede Katechese dem "Weg der Schönheit" (via pulchritudinis) besondere Aufmerksamkeit schenkt. In diesem Sinn können alle Ausdrucksformen wahrer Schönheit als Weg anerkannt werden, der hilft, dem Herrn Jesus zu begegnen.
Evangelii Gaudium 167
Wir müssen uns in der Kunst des Zuhörens üben, die mehr ist als Hören.
Evangelii Gaudium 171
Der Begleiter versteht es, die Situation jedes Einzelnen vor Gott anzuerkennen.
Evangelii Gaudium 172
Die Heilige Schrift ist Quelle der Evangelisierung. Es ist daher notwendig, sich unentwegt durch das Hören des Wortes zu bilden.
Evangelii Gaudium 174
Evangelisieren bedeutet, das Reich Gottes in der Welt gegenwärtig machen.
Evangelii Gaudium 176
Nun möchte ich meine Besorgnisse im Zusammenhang mit der sozialen Dimension der Evangelisierung mitteilen, und zwar deshalb, weil man, wenn diese Dimension nicht gebührend deutlich dargestellt wird, immer Gefahr läuft, die echte und vollständige Bedeutung des Evangelisierungsauftrags zu entstellen.
Evangelii Gaudium 176
Das Kerygma besitzt einen unausweichlich sozialen Inhalt: Im Mittelpunkt des Evangeliums selbst stehen das Gemeinschaftsleben und die Verpflichtung gegenüber den anderen. Der Inhalt der Erstverkündigung hat eine unmittelbare sittliche Auswirkung, deren Kern die Liebe ist.
Evangelii Gaudium 177
Bekennen, dass der Heilige Geist in allen wirkt, schließt die Erkenntnis ein, dass er in jede menschliche Situation und in alle sozialen Bindungen einzudringen sucht.
Evangelii Gaudium 178
Die Annahme der Erstverkündigung, die dazu einlädt, sich von Gott lieben zu lassen und ihn mit der Liebe zu lieben, die er selbst uns mitteilt, verursacht im Leben des Menschen und in seinem Tun eine erste und grundlegende Reaktion: dass er das Wohl der anderen wünscht und anstrebt als etwas, das ihm am Herzen liegt.
Evangelii Gaudium 178
Wie gefährlich und schädlich ist diese Gewöhnung, die uns dazu führt, das Staunen, die Faszination und die Begeisterung zu verlieren, das Evangelium der Brüderlichkeit und der Gerechtigkeit zu leben!
Evangelii Gaudium 179
Das Wort Gottes lehrt uns, dass sich im Mitmenschen die kontinuierliche Fortführung der Inkarnation für jeden von uns findet. Was wir für die anderen tun, hat eine transzendente Dimension: "Nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden" (Mt 7,2).
Evangelii Gaudium 179
Aus einer Lektüre der Schrift geht außerdem klar hervor, dass das Angebot des Evangeliums nicht nur in einer persönlichen Beziehung zu Gott besteht.
Evangelii Gaudium 180
Das Angebot ist das Reich Gottes; es geht darum, Gott zu lieben, der in der Welt herrscht. In dem Maß, in dem er unter uns herrschen kann, wird das Gesellschaftsleben für alle ein Raum der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Würde sein.
Evangelii Gaudium 180
Sowohl die Verkündigung als auch die christliche Erfahrung neigen dazu, soziale Konsequenzen auszulösen.
Evangelii Gaudium 180
Die wahre christliche Hoffnung, die das eschatologische Reich sucht, erzeugt immer Geschichte.
Evangelii Gaudium 181
Die Hirten haben unter Berücksichtigung der Beiträge der verschiedenen Wissenschaften das Recht, Meinungen über all das zu äußern, was das Leben der Menschen betrifft, da die Evangelisierungsaufgabe eine ganzheitliche Förderung jedes Menschen einschließt und verlangt.
Evangelii Gaudium 182
Folglich kann niemand von uns verlangen, dass wir die Religion in das vertrauliche Innenleben der Menschen verbannen, ohne jeglichen Einfluss auf das soziale und nationale Geschehen, ohne uns um das Wohl der Institutionen der menschlichen Gemeinschaft zu kümmern, ohne uns zu den Ereignissen zu äußern, die die Bürger angehen.
Evangelii Gaudium 183
Ein authentischer Glaube "der niemals bequem und individualistisch ist" schließt immer den tiefen Wunsch ein, die Welt zu verändern, Werte zu übermitteln, nach unserer Erdenwanderung etwas Besseres zu hinterlassen. Wir lieben diesen herrlichen Planeten, auf den Gott uns gesetzt hat, und wir lieben die Menschheit, die ihn bewohnt, mit all ihren Dramen und ihren Mühen, mit ihrem Streben und ihren Hoffnungen, mit ihren Werten und ihren Schwächen.
Evangelii Gaudium 183
"Gebt ihr ihnen zu essen!" (Mk 6,37): das beinhaltet sowohl die Mitarbeit, um die strukturellen Ursachen der Armut zu beheben und die ganzheitliche Entwicklung der Armen zu fördern, als auch die einfachsten und täglichen Gesten der Solidarität angesichts des ganz konkreten Elends, dem wir begegnen.
Evangelii Gaudium 188
Das Wort "Solidarität" hat sich ein wenig abgenutzt und wird manchmal falsch interpretiert, doch es bezeichnet viel mehr als einige gelegentliche großherzige Taten. Es erfordert, eine neue Mentalität zu schaffen, die in den Begriffen der Gemeinschaft und des Vorrangs des Lebens aller gegenüber der Aneignung der Güter durch einige wenige denkt.
Evangelii Gaudium 188
Bei allem Respekt vor der Unabhängigkeit und der Kultur jeder einzelnen Nation muss doch immer daran erinnert werden, dass der Planet der ganzen Menschheit gehört und für die ganze Menschheit da ist und dass allein die Tatsache, an einem Ort mit weniger Ressourcen oder einer niedrigeren Entwicklungsstufe geboren zu sein, nicht rechtfertigt, dass einige Menschen weniger würdevoll leben.
Evangelii Gaudium 190
Unser Traum hat noch höhere Ziele. Wir sprechen nicht nur davon, allen die Nahrung oder eine » menschenwürdige Versorgung "zu sichern, sondern dass sie einen » Wohlstand in seinen vielfältigen Aspekten" (Papst Johannes Paul II., Enzyklika Mater et Magistra, 3) erreichen. Das schließt die Erziehung, den Zugang zum Gesundheitswesen und besonders die Arbeit ein.
Evangelii Gaudium 192
Manchmal sind wir hartherzig und starrsinnig, vergessen, vergnügen uns und geraten in Verzückung angesichts der unermesslichen Möglichkeiten an Konsum und Zerstreuung, die diese Gesellschaft bietet. So entsteht eine Art von Entfremdung, die uns alle trifft.
Evangelii Gaudium 196
Aus diesem Grund wünsche ich mir eine arme Kirche für die Armen. Sie haben uns vieles zu lehren. Sie haben nicht nur Teil am sensus fidei, sondern kennen außerdem dank ihrer eigenen Leiden den leidenden Christus. Es ist nötig, dass wir alle uns von ihnen evangelisieren lassen.
Evangelii Gaudium 198
Wir sind aufgerufen, Christus in den Armen zu entdecken, uns zu Wortführern ihrer Interessen zu machen, aber auch ihre Freunde zu sein, sie anzuhören, sie zu verstehen und die geheimnisvolle Weisheit anzunehmen, die Gott uns durch sie mitteilen will.
Evangelii Gaudium 198
Unser Einsatz besteht nicht ausschließlich in Taten oder in Förderungs- und Hilfsprogrammen; was der Heilige Geist in Gang setzt, ist nicht ein übertriebener Aktivismus, sondern vor allem eine aufmerksame Zuwendung.
Evangelii Gaudium 199
Die echte Liebe ist immer kontemplativ, sie erlaubt uns, dem anderen nicht aus Not oder aus Eitelkeit zu dienen, sondern weil es schön ist, jenseits des Scheins.
Evangelii Gaudium 199
Der Arme wird, wenn er geliebt wird, "hochgeschätzt", und das unterscheidet die authentische Option für die Armen von jeder Ideologie, von jeglicher Absicht, die Armen zugunsten persönlicher oder politischer Interessen zu gebrauchen. Nur das macht es möglich, dass sich die Armen in jeder christlichen Gemeinde wie "zu Hause" fühlen.
Evangelii Gaudium 199
Die Würde jedes Menschen und das Gemeinwohl sind Fragen, die die gesamte Wirtschaftspolitik strukturieren müssten.
Evangelii Gaudium 203
Die Tätigkeit eines Unternehmers ist eine edle Arbeit, vorausgesetzt, dass er sich von einer umfassenderen Bedeutung des Lebens hinterfragen lässt.
Evangelii Gaudium 203
Wir müssen uns davon überzeugen, dass die Liebe das Prinzip nicht nur der Mikro-Beziehungen - in Freundschaft, Familie und kleinen Gruppen - ist, sondern auch der Makro-Beziehungen: in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen.
Evangelii Gaudium 205
Ich bete zum Herrn, dass er uns mehr Politiker schenke, denen die Gesellschaft, das Volk, das Leben der Armen wirklich am Herzen liegt!
Evangelii Gaudium 205
Es ist unerlässlich, neuen Formen von Armut und Hinfälligkeit - den Obdachlosen, den Drogenabhängigen, den Flüchtlingen, den eingeborenen Bevölkerungen, den immer mehr vereinsamten und verlassenen alten Menschen usw. - unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Wir sind berufen, in ihnen den leidenden Christus zu erkennen und ihm nahe zu sein.
Evangelii Gaudium 210
Die Migranten stellen für mich eine besondere Herausforderung dar, weil ich Hirte einer Kirche ohne Grenzen bin, die sich als Mutter aller fühlt. Darum rufe ich die Länder zu einer großherzigen Öffnung auf, die, anstatt die Zerstörung der eigenen Identität zu befürchten, fähig ist, neue kulturelle Synthesen zu schaffen.
Evangelii Gaudium 210
Wie schön sind die Städte, die das krankhafte Misstrauen überwinden, die anderen mit ihrer Verschiedenheit eingliedern und aus dieser Integration einen Entwicklungsfaktor machen! Wie schön sind die Städte, die auch in ihrer architektonischen Planung reich sind an Räumen, die verbinden, in Beziehung setzen und die Anerkennung des anderen begünstigen!
Evangelii Gaudium 210
Klein aber stark in der Liebe Gottes wie der heilige Franziskus, sind wir als Christen alle berufen, uns der Schwäche des Volkes und der Welt, in der wir leben, anzunehmen.
Evangelii Gaudium 216
Die Würde des Menschen und das Gemeingut gelten mehr als das Wohlbefinden einiger, die nicht auf ihre Privilegien verzichten wollen. Wenn jene Werte bedroht sind, muss eine prophetische Stimme erhoben werden.
Evangelii Gaudium 218
In jeder Nation entfalten die Einwohner die soziale Komponente ihres Lebens, indem sie sich als verantwortliche Bürger im Schoß eines Volkes verhalten und nicht als Masse, die sich von herrschenden Kräften treiben lässt.
Evangelii Gaudium 220
Die Bürger leben in der Spannung zwischen dem Auf und Ab des Augenblicks und dem Licht der Zeit, dem größeren Horizont, der Utopie, die uns für die Zukunft öffnet, die uns als letzter Grund an sich zieht. Daraus ergibt sich ein erstes Prinzip, um beim Aufbau eines Volkes voranzuschreiten: Die Zeit ist mehr wert als der Raum.
Evangelii Gaudium 222
Der Maßstab, an welchem eine Zeit allein gerecht gemessen werden kann, ist die Frage, wie weit in ihr, nach ihrer Eigenart und Möglichkeit, die Fülle der menschlichen Existenz sich entfaltet und zu echter Sinngebung gelangt. (Romano Guardini)
Evangelii Gaudium 224
Der Konflikt darf nicht ignoriert oder beschönigt werden. Man muss sich ihm stellen. Aber wenn wir uns in ihn verstricken, verlieren wir die Perspektive, unsere Horizonte werden kleiner, und die Wirklichkeit selbst zerbröckelt. Wenn wir im Auf und Ab der Konflikte verharren, verlieren wir den Sinn für die tiefe Einheit der Wirklichkeit.
Evangelii Gaudium 226
Auf diese Weise wird es möglich sein, dass sich aus dem Streit eine Gemeinschaft entwickelt. Das kann aber nur durch die großen Persönlichkeiten geschehen, die sich aufschwingen, über die Ebene des Konflikts hinauszugehen und den anderen in seiner tiefgründigsten Würde zu sehen.
Evangelii Gaudium 228
Es geht nicht darum, für einen Synkretismus einzutreten, und auch nicht darum, den einen im anderen zu absorbieren, sondern es geht um eine Lösung auf einer höheren Ebene, welche die wertvollen innewohnenden Möglichkeiten und die Polaritäten im Streit beibehält.
Evangelii Gaudium 228
Die Botschaft des Friedens ist nicht die eines ausgehandelten Friedens, sondern erwächst aus der Überzeugung, dass die Einheit, die vom Heiligen Geist kommt, alle Unterschiede in Einklang bringen kann.
Evangelii Gaudium 230
Die Verschiedenheit ist schön, wenn sie es annimmt, beständig in einen Prozess der Versöhnung einzutreten, und sogar eine Art Kulturvertrag zu schließen, der zu einer "versöhnten Verschiedenheit" führt.
Evangelii Gaudium 230
Es gibt auch eine bipolare Spannung zwischen der Idee und der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist etwas, das einfach existiert, die Idee wird erarbeitet. Zwischen den beiden muss ein ständiger Dialog hergestellt und so vermieden werden, dass die Idee sich schließlich von der Wirklichkeit löst.
Evangelii Gaudium 231
Auch zwischen der Globalisierung und der Lokalisierung entsteht eine Spannung. Man muss auf die globale Dimension achten, um nicht in die alltägliche Kleinlichkeit zu fallen. Zugleich ist es nicht angebracht, das, was ortsgebunden ist und uns mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität bleiben lässt, aus dem Auge zu verlieren.
Evangelii Gaudium 234
Das Ganze ist mehr als der Teil, und es ist auch mehr als ihre einfache Summe. Man darf sich also nicht zu sehr in Fragen verbeißen, die begrenzte Sondersituationen betreffen, sondern muss immer den Blick ausweiten, um ein größeres Gut zu erkennen, das uns allen Nutzen bringt.
Evangelii Gaudium 235
Man arbeitet im Kleinen, mit dem, was in der Nähe ist, jedoch mit einer weiteren Perspektive.
Evangelii Gaudium 235
Es ist Zeit, in Erfahrung zu bringen, wie man in einer Kultur, die den Dialog als Form der Begegnung bevorzugt, die Suche nach Einvernehmen und Übereinkünften planen kann, ohne sie jedoch von der Sorge um eine gerechte Gesellschaft zu trennen, die erinnerungsfähig ist und niemanden ausschließt.
Evangelii Gaudium 239
Im Dialog mit dem Staat und der Gesellschaft verfügt die Kirche nicht über Lösungen für alle Detailfragen. Dennoch begleitet sie gemeinsam mit den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften die Vorschläge, die der Würde der Person und dem Gemeinwohl am besten entsprechen können. Dabei weist sie stets mit aller Klarheit auf die Grundwerte des menschlichen Lebens hin, um Überzeugungen zu vermitteln, die dann in politisches Handeln umgesetzt werden können.
Evangelii Gaudium 241
Die Evangelisierung achtet auf die wissenschaftlichen Fortschritte, um sie mit dem Licht des Glaubens und des Naturrechts zu erleuchten, damit sie immer die Zentralität und den höchsten Wert des Menschen in allen Phasen seines Lebens respektieren.
Evangelii Gaudium 242
Die Kirche verlangt nicht, den bewundernswerten Fortschritt der Wissenschaften anzuhalten. Im Gegenteil, sie freut sich und findet sogar Gefallen daran, da sie die enorme Leistungsfähigkeit erkennt, die Gott dem menschlichen Geist verliehen hat.
Evangelii Gaudium 243
Wenn die Wissenschaften in akademischer Ernsthaftigkeit im Bereich ihres spezifischen Gegenstands verbleiben und so im Zuge ihres Fortschritts eine bestimmte Schlussfolgerung deutlich machen, die von der Vernunft nicht verneint werden kann, widerspricht der Glaube diesem Ergebnis nicht.
Evangelii Gaudium 243
Ökumene:
So zahlreich und so kostbar sind die Dinge, die uns verbinden! Und wenn wir wirklich an das freie und großherzige Handeln des Geistes glauben, wie viele Dinge können wir voneinander lernen! Es handelt sich nicht nur darum, Informationen über die anderen zu erhalten, um sie besser kennen zu lernen, sondern darum, das, was der Geist bei ihnen gesät hat, als ein Geschenk aufzunehmen, das auch für uns bestimmt ist.
Evangelii Gaudium 246
Gott wirkt weiterhin im Volk des Alten Bundes und lässt einen Weisheitsschatz entstehen, der aus der Begegnung mit dem göttlichen Wort entspringt. Darum ist es auch für die Kirche eine Bereicherung, wenn sie die Werte des Judentums aufnimmt.
Evangelii Gaudium 249
Dieser interreligiöse Dialog ist eine notwendige Bedingung für den Frieden in der Welt und darum eine Pflicht für die Christen wie auch für die anderen Religionsgemeinschaften. Dieser Dialog ist zuallererst ein Dialog des Lebens.
Evangelii Gaudium 250
Ein Dialog, in dem es um den sozialen Frieden und die Gerechtigkeit geht, wird über das bloß Pragmatische hinaus von sich aus zu einem ethischen Einsatz, der neue soziale Bedingungen schafft. Das Mühen um ein bestimmtes Thema kann zu einem Prozess werden, in dem durch das Hören auf den anderen beide Seiten Reinigung und Bereicherung empfangen. Daher kann dieses Mühen auch die Liebe zur Wahrheit bedeuten.
Evangelii Gaudium 250
In dieser Zeit gewinnt die Beziehung zu den Angehörigen des Islam große Bedeutung, die heute in vielen Ländern christlicher Tradition besonders gegenwärtig sind und dort ihren Kult frei ausüben und in die Gesellschaft integriert leben können.
Evangelii Gaudium 252
Wir Christen müssten die islamischen Einwanderer, die in unsere Länder kommen, mit Zuneigung und Achtung aufnehmen, so wie wir hoffen und bitten, in den Ländern islamischer Tradition aufgenommen und geachtet zu werden. Bitte! Ich ersuche diese Länder demütig darum, in Anbetracht der Freiheit, welche die Angehörigen des Islam in den westlichen Ländern genießen, den Christen Freiheit zu gewährleisten, damit sie ihren Gottesdienst feiern und ihren Glauben leben können.
Evangelii Gaudium 253
Ein gesunder Pluralismus, der die anderen und die Werte als solche wirklich respektiert, beinhaltet keine Privatisierung der Religionen mit der Zumutung, sie zum Schweigen zu bringen und auf die Verborgenheit des Gewissens jedes Einzelnen zu beschränken oder sie ins Randdasein des geschlossenen, eingefriedeten Raums der Kirchen, Synagogen oder Moscheen zu verbannen. Das wäre dann letztlich eine neue Form von Diskriminierung und Autoritarismus.
Evangelii Gaudium 255
Als Glaubende fühlen wir uns auch denen nahe, die sich nicht als Angehörige einer religiösen Tradition bekennen, aber aufrichtig nach der Wahrheit, der Güte und der Schönheit suchen.
Evangelii Gaudium 257
Ein besonderer Raum ist jener der sogenannten neuen Areopage wie der "Vorhof der Völker", wo Glaubende und Nichtglaubende über die grundlegenden Themen der Ethik, der Kunst und der Wissenschaft sowie über die Suche nach dem Transzendenten miteinander ins Gespräch kommen können. Auch das ist ein Weg des Friedens für unsere verwundete Welt.
Evangelii Gaudium 257
Jesus sucht Verkünder des Evangeliums, welche die Frohe Botschaft nicht nur mit Worten verkünden, sondern vor allem mit einem Leben, das in der Gegenwart Gottes verwandelt wurde.
Evangelii Gaudium 259
Aber ich weiß, dass keine Motivation ausreichen wird, wenn in den Herzen nicht das Feuer des Heiligen Geistes brennt.
Evangelii Gaudium 261
Evangelisierende mit Geist sind Verkünder des Evangeliums, die beten und arbeiten. Vom Gesichtspunkt der Evangelisierung aus nützen weder mystische Angebote ohne ein starkes soziales und missionarisches Engagement noch soziales oder pastorales Reden und Handeln ohne eine Spiritualität, d
Im Dienst der Verkündigung
(Referat von Rino Fisichella)
Es gibt viele Definitionen zur Person und zur Rolle des Katechisten/der Katechistin. Um seine Rolle und seinen Dienst in der Kirche besser zu verstehen, muss man diese im Prozess der Weitergabe des Glaubens in Betracht ziehen. Dazu gibt Dei Verbum gute Perspektiven, deren Bedeutung vor allem aus dogmatischer Sicht noch nicht genügend beachtet wird.
Dei Verbum betrachtet die Offenbarung Gottes und den Weg, wie dies an Gläubige weitergegeben wird, als Einheit. Es handelt sich um einen Akt der Weitergabe (trans-mission), die in einem komplexen Prozess das Handeln des Heiligen Geistes verwirklicht. Gott will, dass die Botschaft Jesu Christi an jede Generation weitergegeben wird. Dieser Dienst wurde zunächst von den Aposteln übernommen und wird seitdem durch die Jahrhunderte von der Kirche weitergetragen. Festzuhalten ist: Es ist der Wille Gottes, dass das Evangelium in seiner fundamentalen Einheit jedem Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort verkündet wird. Es ist Gott, der die Initiative ergreift. Niemand könnte von dies sich aus "machen", wenn nicht die vorhergehende Entscheidung Gottes, sich dem Menschen bekannt zu machen, grundgelegt wäre. Ebenso ist dies keine bloß menschliche Entscheidung oder eine kirchenpolitische Aktion. Die Weitergabe des Glaubens kommt aus der Offenbarung selbst. Und sie lässt sich von allen verstehen, egal aus welcher Kultur die Menschen stammen. Dafür ist die Universalität des Evangeliums entscheidend. Es ist imstande, jede Kultur in all ihren Ausdrucksformen zu berühren und umzuformen. Die Inkarnation Gottes ist in die Menschheit mit einer Tiefe eingetreten, die nur Gott selbst realisieren kann. Und dies ist uns anvertraut. Es ist Aufgabe der Kirche, diesem Wort treu zu bleiben, beständig darauf zu hören und es mit allen Menschen zu jeder Zeit zu teilen. Das Hören des Wortes Gottes ist nicht passiv, sondern aktiv. Es ist eine Frucht des Glaubens, der in Beziehung zu Gott bleibt. Dieses Wort war aber nie abstrakt, sondern eine Person. Es geht also nicht um Weisheiten aus einem Buch, sondern um ein lebendiges Wort, das zu jedem Menschen kommt. Deshalb steht auch jeder Katechist in einer lebendigen Gottesbeziehung, in der er sich engagiert, anderen zu begegnen.
Begegnung ist ein zentraler Begriff. Woraus besteht eine Begegnung? Zunächst ist es ein Akt, durch den jemand entscheidet, aus sich herauszugehen, um in eine Beziehung zu einem anderen Menschen einzutreten. Jede/r von uns ist die Frucht einer Begegnung und lebt in einer Serie fortgesetzter Begegnungen. Darin verwirklicht sich jeder selbst. Das Gegenteil wäre eine Hölle der Einsamkeit, ohne Möglichkeit zu lieben. Die Begegnung entstammt einer Sehnsucht nach Liebe und dem Willen, dem Alptraum der Einsamkeit zu entfliehen. Ein Katechist definiert sich daher durch sein Engagement für Begegnung. Es ist eine Begegnung, durch die Gott sich selbst einbringt und spricht. Daraus entstammt die Berufung, anderen zu begegnen und Zeugnis zu geben von dieser ersten Begegnung mit Gott, die am Anfang des Glaubens steht. Dies ist eine Begegnung, die paradigmatisch für den Katechisten bleibt, aber immer wieder neu zu vergegenwärtigen ist: im Sakrament, in der Übernahme von Verantwortung im Leben einer Gemeinschaft, durch die Sendung zu all jenen, die auf der Suche sind. Das Hören auf das Wort ist eine Begegnung, die die ganze Existenz trägt und fähig macht zu einer Weitergabe des Glaubens, in der sich die Beziehung zu Gott und zu anderen eröffnet.
Ein zweiter Gedanke Jeder Katechist soll sich bewusst sein, dass er eine ganz besondere Berufung erfahren hat und dass das Evangelium an alle gerichtet ist. Die Zielgruppe ist nicht nur die konkrete Gruppe, die einem anvertraut wurde, sondern die ganze Welt ist das Feld für die Verkündigung. Das heißt auch, dass der Katechist von Anfang in einem missionarischen Horizont tätig ist. Das Evangelium verlangt aus sich heraus, allen verkündet zu werden.
Ein dritter Gedanke Die Person Jesu Christi ist die Quelle der Wahrheit. Durch ihn findet der Mensch zur vollen Selbstverwirklichung. Das Evangelium, das durch Jesus offenbart wurde bezieht sich nicht auf dieses oder jenes Ereignis seines Lebens, sondern auf seine ganze Person. Das ganze Leben Jesu ist Offenbarung. Seine Worte und seine Handlungen können nicht voneinander getrennt werden. Und Jesus Christus selbst ist wesentlicher Inhalt jeder Verkündigung, jeder Katechese. Es ist wichtig, diese Einheit zu sehen zwischen Schrift und, denn die Heilige Schrift kann nicht getrennt werden vom Leben der christlichen Gemeinschaft, die von Anfang an dieses Wort gelebt hat und lebt und die es auf lebendige Art und Weise an die jeweils nachfolgende Generation weitergibt. In diesem Sinn ist die Kirche wirklich Christus, der in dieser Welt lebt, um das Heil allen zu verkünden. Damit ist aber auch die Begegnung mit Jesus Christus in und durch die Kirche für jeden Verkünder/in fundamental. Natürlich ist das Vorbild Jesu bereits für die Apostel wesentlich, für ihre Worte, ihr Beispiel, ihre Werke. Dadurch geben sie weiter, was sie empfangen haben. Alles baut auf den Worten und Taten Christi auf. Dazu ist aber notwendig, dass sie in ihm bleiben, auf ihn hören, ihm Fragen stellen, ihm zusehen wie er handelt, Erklärungen dafür verlangen. Das Leben mit Christus wird nie zur Routine, sondern ist immer wieder neu. Gemeinschaft mit ihm zu halten, ist das lebendige Mittel, um die Offenbarung besser kennen zu lernen und im Gemeinschaftsleben zu realisieren. Man könnte mit Dei Verbum sagen: Der unsichtbare Gott wendet sich in seiner überbordende Liebe an die Menschen und betrachtet sie als Freunde. Er begegnet ihnen, um sie einzuladen und sein eigenes Leben mit ihnen zu teilen, d.h. Gott selbst hat Sehnsucht, den Menschen nahe zu kommen und sein Leben mit unserem zu teilen. Das hat Konsequenzen für den Dienst der Katechistin/des Katechisten. Sie lebt in einer vertrauensvollen Beziehung mit Jesus. Sie ist seine Schülerin. Sie ist berufen, ihm zu folgen und Gemeinschaft mit den anderen Schülern zu halten. Die Apostel waren wie eine Familie (vgl. Lumen Gentium 19). Ein Katechist ist nicht allein, im Gegenteil. Er gehört einer Gemeinschaft an, die ihn unterstützt und in der er seinen Dienst an der Weitergabe des Glaubens ausübt. Sein Leben ist geprägt von Vertrautheit mit dem Herrn: auf sein Wort hören, beten, Zeugnis geben. Auf diese Art ist er in gewisser Weise ein "Experte Christi" und das ist nötig, damit sein Dienst effektiv und fruchtbar ist. Ohne dies wäre er nur einer, der Informationen verteilt, Kenntnisse vermittelt, und seine Verkündigung wäre eher eine Schulstunde, statt ein Teilen all dessen, was er aus der Begegnung mit Christus empfangen hat.
Worte und Taten gehören zusammen. Der Mensch von heute hört lieber auf Zeugen, nicht auf Lehrer, und wenn er auf Lehrer hört, dann weil sie Zeugen sind. (Evangelii nuntiandi) Die Mission des Katechisten ist es, Zeuge für die Taten Christi zu sein, d.h. in sein eigenes Leben das Handeln Christi einzuprägen, und dadurch fähig zu werden, allen zu begegnen, besonders jenen, die am meisten die Gegenwart Christi benötigen: Aus dem Mund des Katechisten kommt immer als erste Botschaft: Jesus Christus liebt dich. Er hat sein Leben gegeben, um dich zu retten, und jetzt lebt er jeden Tag an deiner Seite, um dich zu stärken, dich zu befreien. Dies ist die erste Botschaft der Verkündigung, weil sie die wichtigste ist, nicht weil sie chronologisch an erster Stelle stehen müsste. Sie ist es qualitativ. (Vgl. Evangelii Gaudium 164) In seinem Dienst erfährt der Katechist ein beständiges Wachstum. Auch ihre Katechese steht im Dienst des Wachstums des Volkes Gottes, um das Mysterium des Glaubens tiefer zu durchdringen. Das führt dazu, in immer tieferer Weise eine Antwort der Liebe zu geben auf all das, was geschieht, und gegenüber all jenen, denen man begegnet. Damit hängt zusammen, dass der Glaube wesentlich Liebe ist und aus Liebe weitergegeben wird - und nicht aus Vernunftgründen (obwohl auch der Glaube bzw. die Liebe Gründe sucht, und das zu Recht). Deshalb ist auch die Übung des Verstandes, das Studium und jede Ausbildung keine Nebensache, denn es geht immer um eine globale, integrale, ganzheitliche Bildung. Die Begegnung mit Christus, das Leben als sein Schüler, in der Sehnsucht, mit ihm zu sprechen, machen aus dem Katechisten einen Menschen im Dienst an der Verkündigung. Er weiß, dass es nichts Solideres, nichts Tieferes, nichts Sichereres, nichts Weiseres gibt als die Frohe Botschaft. Die ganze christliche Bildung ist eine Vertiefung der Verkündigung, die immer mehr und besser angenommen wird. Dies hilft, jedes Thema, das in der Katechese entfaltet wird, angemessen zu begreifen. Die zentrale Stellung des Kerygmas hat ihre eigene, besondere Charakteristik: Sie muss die erlösende Liebe Gottes zum Ausdruck bringen, die jeder moralischen und religiösen Sicht vorausgeht. Sie darf die Wahrheit nicht aufzwingen und muss an die Freiheit appellieren. Sie muss freudig anspornen und lebendig sein und eine harmonische Gesamtsicht bieten (vgl. Evangelii Gaudium 165). Die Offenbarung durch Jesus Christus ist eine heilende und heilswirksame Wahrheit. Sie ist nicht Frucht einer philosophischen Spekulation, sondern betrifft die Existenz der Person. Sie präsentiert sich als Antwort auf die Frage des Menschen nach Sinn. Diese Frage wird nicht nur in schwierigen Augenblicken gestellt, wenn etwa ein Scheitern zu einem Nachdenken und einer Neuorientierung zwingt. Die Frage nach dem Sinn bzw. der Sinn kann sich auch in frohen Ereignissen oder überhaupt im täglichen Leben zeigen. Die Frage nach dem Sinn betrifft das ganze Leben und nicht nur dieses oder jenes Ereignis. Tatsächlich wird jede/r von dieser Frage betroffen und stellt sie auf eine persönliche Art und Weise, entsprechend seinen Lebensumständen. Die Frage nach dem Sinn trägt in sich die Frage nach Liebe. Welchen Sinn hat es, zu lieben und geliebt zu werden? Der Mensch von heute verwechselt regelmäßig Liebe mit Leidenschaft und sieht, wie das scheitert, was er Liebe nennt. Aber das ist natürlich nicht alles. Jedenfalls ist die Suche nach Sinn untrennbar mit der Sehnsucht verbunden, zu lieben und geliebt zu werden. Hier vollzieht sich eine der größten Herausforde¬rungen für die Katechese, den Glauben als Vorschlag zu lieben weiterzugeben, in dem Sinn gefunden wird. Das ist genau die Wahrheit, die Jesus Christus offenbart hat und die er in Tod und Auferstehung gewährt. Wir dürfen uns deshalb nicht vom ihm entfernen, wenn wir unseren Zeitgenossinnen helfen wollen, den Sinn des Lebens zu finden. Der Katechist steht in diesem Spannungsfeld, das Herz der Menschen anzusprechen, um ihnen zu helfen, das Mysterium des Glaubens kennen zu lernen und sich selbst zugleich anbetend an den Herrn zu wenden. Also: In der Einheit mit Gott zu bleiben, seine Liebe zu erfahren, als Schüler Christi zu leben und Zeugin zu sein für seine Barmherzigkeit - und dies zu vermitteln. Die heilswirksame Wahrheit, die uns verkündet wird, befreit die Menschen von jeder Form der Versklavung, denen sie sich manchmal gern unterwerfen würden. Die Wahrheit Christi gibt dem Menschen sich selbst zurück, denn das Heil Christi bedeutet Gemeinschaft mit Gott, Versöhnung, Einbezogensein in das Leben der Dreifaltigkeit. Der Katechist dient dieser heilswirksamen Wahrheit, die zu einer tiefen und realen Freiheit führt. Der Glaube muss weitergegeben werden. Diese Weitergabe der Offenbarung vollzieht sich in einer ununterbrochenen Kette von Schüler/innen (Jünger/innen), die bis zu uns führt. Durch uns und unter uns ist Jesus Christus lebendig. Die Katechist/innen sind Teil dieses Überlieferungsprozesses und sie sind sich dessen bewusst. Damit ist aber eine performative (nicht suggestive) Sprache angemessen. Performativ bedeutet, dass die Worte eine Lebenserfahrung ausdrücken, die nicht distanziert reflektiert weitergegeben werden kann. Das Wort Gottes hat nicht nur einen lyrischen, erzählerischen Wert, sondern einen existentiellen. Wer Jesus Christus kommuniziert, ist eingebunden in sein Wort und kann es nicht einfach theoretisch wiedergeben, sondern wird Zeuge. In diesem Augenblick wird das Engagement der Katechistin fruchtbar. Allerdings können wir nicht entscheiden oder festhalten, ab welchem Zeitpunkt eine Katechese sichtbare Früchte trägt. Aber wir können dem Wort des Propheten vertrauen: Der Regen und der Schnee, die vom Himmel fallen, und nicht zurückkehren, ermöglichen die Fruchtbarkeit der Erde. Denn so wird das Wort, das aus Gottes Mund kommt, nicht zu ihm zurückkommen ohne Ergebnis, sondern es wird seine Mission erfüllen. (Vgl. Jes 55,10-11) Diese Dynamik ist dem Wort Gottes eigen und macht die Arbeit des Katechisten fruchtbar. Von uns wird nur verlangt, darauf zu vertrauen und auf Gottes Gnade zu bauen.
In diesem Sinn ist es gut, wenn der Katechist/die Katechistin auch die Stille Gottes ausdrücken kann. Man kann den Glauben, die Fruchtbarkeit einer Katechese nicht nur rational erfassen. Das Geheimnis Gottes ist größer. Damit braucht eine Kommunikation des Glaubens nochmals andere Wege, um etwa die Sehnsucht nach Spiritualität unserer Zeitgenossen zu stillen. Gemeinsam mit der Liturgie kann die Katechese auf diese oft verborgene Sehnsucht nach Gott eingehen. Dabei genügt es nicht, Inhalte kennen zu lernen, sondern es geht darum, eine Ahnung vom Reichtum des Geheimnisses Gottes zu gewinnen. In diesem Sinn gibt die Kirche durch ihre Lehre, ihr Leben, ihre Liturgie, den Glauben an jede Generation weiter. Die Katechistin/der Katechet dient dieser Weitergabe des Glaubens. Nicht mehr und nicht weniger. Dem lebendigen Christus in dieser Kirche zu begegnen, öffnet den Blick auf die Schönheit dieser Gemeinschaft, die dazu da ist, die Auferstehung als definitiven Sieg über den Tod zu verkünden, das Angesicht des Sohnes Gottes zu betrachten, um hier die Menschlichkeit in Reingestalt zu erkennen und Zukunft für jede/jeden Einzelnen zu erhoffen.
Quelle: Dieses Referat (hier in gekürzter Fassung) wurde beim Colloquium Les catéchètes dans la mission de l'Église. Ein internationales Colloquium in Zusammenarbeit des ISPC - Institut Supérieur de Pastorale Catéchétique und der Theologischen Fakultät der Universität Leuwen, 17.- 20. Februar 2015, in Paris gehalten.
Ausbildung für die Verkündigung
In der Ausbildung und Schulung für Mitarbeiter/innen in der Verkündigung soll großer Wert auf eine Förderung des persönlichen Christ-Seins gelegt werden. Wichtiger als praktische Fähigkeiten ist eine Verwurzelung im Glauben. In diesem Sinn soll jede Aus- und Weiterbildung zutiefst christologisch und trinitarisch orientiert sein. Die Verkünder stehen in einem lebendigen Kontext mit Jesus Christus. Sie integrieren den Glauben in all seinen Dimensionen in ihr Leben. Damit bringen sie ihre Lebenswelt in Bezug zum Evangelium. Sie sind Zeugen.
Grundsätzlich ist jede/r, der verkündet, eingebettet in eine Gemeinschaft und bezieht damit auch jene ein, mit denen man in einem "Verkündigungsprojekt" verbunden ist. Es geht primär um eine Herzensbildung gemäß dem Glauben. Das wirkt sich - später - auf den gesamten Stil aus, mit dem jemand verkündet und dieser wiederum orientiert sich an der Pädagogik Gottes, dessen Erziehungsziel und Erziehungsstil Liebe ist.
Praktische Kompetenzen sind dann zu entwickeln. Im Bewusstsein, selbst vor dem Angesicht Gottes zu stehen, sollen sich die Verkündenden das nötige Wissen für ihre Aufgaben aneignen. Zutiefst geht es darum, mit Gott und Mensch Gemeinschaft zu halten und diese zu vermitteln mitten in einer Welt, die im Geheimnis Gottes lebt.
(Nach Catherine Chevalier, « Former des catéchètes comment ? En vue de quoi ? »)
Über das Lesen kirchlicher Dokumente
Kirchliche Dokumente sind konsensuale Zusammenfassungen eines Themas. Was sie festhalten, sollte zum Allgemeingut aller gehören, die mit den Inhalten des Dokuments befasst sind. In diesem Sinn sind sie für jede Aus- und Weiterbildung wichtig. Denn sie fokussieren Wesentliches. Sie sind ebenfalls eine Hilfe zur Reflexion der Praxis und können Anregungen für Erfahrungsaustausch und Gespräch über das jeweilige Thema geben.
Dokumente wollen etwas anregen und zwar bei jener Zielgruppe, an die sie jeweils gerichtet sind. Dokumente wollen helfen, das Thema umfassend in den Blick zu nehmen. Sie helfen auch, in einem umfassenden Gesamtblick auf der Spur zu bleiben, und wollen vermeiden, dass Inhalte verkürzt werden. Freilich sind sie darauf angewiesen, wie sie umgesetzt werden. Dazu bedarf es der Kreativität, die in der Freiheit der Umsetzung liegt, aber auch das Bemühen, dem Gesamtblick (und damit der Botschaft) treu zu bleiben.
Es ist festzuhalten, dass ein Dokument niemals abgeschlossen ist. Eigentlich ist es ab dem Zeit-punkt seiner Veröffentlichung stets zu aktualisieren und weiterzuschreiben, gemäß relevanter Entwicklungen und in Treue zum Evangelium.
Dokumente stärken die Kirchlichkeit. Ihre Erarbeitung ist ja ein ekklesiologisches Werk, an dem mehrere Personen beteiligt waren und dabei ihre einschlägigen Kompetenzen eingebracht haben. Die Verfasser/innen geben damit eine Antwort bzw. eine Orientierung für unsere Zeit in einer gewissen allgemeinen Relevanz. Damit verbinden Dokumente auch mit der ganzen Kirche.
(Nach Joel Rochette, « Rédiger des documents catéchétiques »)
Gesandt zu den Armen
"Arme" Menschen fühlen sich aufgrund ihrer Armut oft minderwertig. Sie kommunizieren nicht verbal und spontan, oft ohne nachzudenken. Sie sind sensibel für Gefühle, Schönheit, Symbole. Pädagogische Hilfsmittel sind wenig sinnvoll. Es sind Worte und Gesten, die Verbindung schaffen und Verständnis eröffnen. Faszinierend ist: Was Arme über Gott sagen, führt auch andere zu einer Entdeckung einer Offenbarung Gottes.
Arme gehören zum Leib Christi. Wenn sie nicht gehört werden, nicht einbezogen werden, fehlt etwas.
Es ist absolut notwendig, auf jede/n Einzelne/n einzugehen. Und das wiederum braucht unbedingt eine Gemeinschaft. Eine Begegnung mit Armen ist ein spirituelles Experiment: Man muss sich vorbereiten, beten, organisieren, um fähig zu werden, Unerwartetes zu empfangen, und um dann diese Erfahrung nochmals zu reflektieren und zu verstehen. Dies hilft, auch persönlich spirituell voranzugehen.
Wichtig ist im Gespräch in einer Katechese mit Armen jeder Fragenkomplex um "Wie leben?" Sie werden oft konfrontiert mit Themen wie Gerechtigkeit, Friede, Versöhnung, Vergebung, Zusammenleben, Glück. Und sie sind daran interessiert, was die Kirche sagt, und zwar zu ihrer konkreten Situation.
Die Begegnung mit Gott in den Armen führt zu einer Verantwortung, sowohl theologisch als auch sozial: Wie gehen wir mit dieser Verantwortung um? Papst Franziskus mahnt uns, an die Ränder zu gehen, denn dort wird die Kirche gesund. Ratsam wäre es, in einer pastoralen Reflexion über Ereignisse nicht zu fragen "wie war es?", sondern "waren Arme da?" und "wie wurden sie einbezogen?".
Die Begegnung mit Armen führt oft zu einer unerwarteten Umkehr und Entdeckung Gottes. Das ist stets überraschend.
(Nach Anne-Marie Boulongue: « Animer une catéchèse en milieu populaire »)
Lernen, Gutes zu tun
Aus einer pädagogischen Sicht gibt es diesbezüglich drei Schritte: - seine Möglichkeiten und Fähigkeiten einschätzen, um etwas Gutes zu tun - immer besser entscheiden und unterscheiden können, was in einer konkreten Situation gut ist - seine Fähigkeiten, Gutes zu tun und Böses zu überwinden, einsetzen und steigern
Zunächst soll man sich zutrauen, Gutes tun zu können und dies auch praktizieren. Dies geschieht als Antwort auf den Ruf Gottes in der Nachfolge Jesu Christi. Dahinter steht eine Haltung der Liebe, denn Gott liebt jeden Menschen und aus Liebe befähigt er, diese Liebe weiterzugeben.
Gutes zu tun, braucht Übung, wenn es zu einer dauerhaften Haltung werden soll. Und es ist wichtig, sich der eigenen Sünde zu stellen, die eine Realität des menschlichen Lebens ist. Hier bedeutet Gutes zu tun, Versöhnung, Umkehr, Vergebung.
Um entscheiden zu können, was in einer konkreten Situation das Gute ist, braucht es den Verstand, braucht es Bildung, braucht es Empathie, braucht es Mitmenschen, die aufmerksam machen. Vor allem gehört eine wachsende Sensibilität im Hören auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift dazu. Ein Wachstum im Glauben soll sich in Korrelation mit der konkreten Lebensführung in dieser Welt von heute entwickeln.
Übung ist notwendig. Orientierung für das Gute geben Beispiele aus der Heiligen Schrift, die in jeder christlichen Gemeinschaft stets zu aktualisieren ist. Man darauf vertrauen: Gott wirkt in und durch Menschen, besonders wenn sich diese vom Heiligen Geist wandeln und führen lassen. Dazu sind alle Christen berufen. Quellen der Stärkung, Gutes zu tun, werden auch in der Liturgie eröffnet.
(Nach Catherine Fino, « Que signifie apprendre à faire du bien? »)
Beten lernen
Obwohl im jüdischen Volk das Gebet eine bedeutende und selbstverständliche Rolle gespielt hat, haben die Jünger Jesus gebeten: Lehre uns beten. Sie kommen mit dieser Bitte übrigens zu ihm, nachdem er selbst gebetet hatte (Lk 11,1-2). An anderer Stelle (Mt 6,5-9) warnt Jesus zunächst, sich im Gebet zur Schau zu stellen, bevor er die Jünger das Vaterunser lehrt.
Das Gebet ist Sprache. Das persönliche und gemeinschaftliche Gebet drückt sich in Worten aus. Aber es gibt Erfahrungen, die unaussprechlich sind. Es gibt Wirklichkeiten, die jenseits der Grenze sprachlicher Fassbarkeit liegen. Hier steht dem gesprochenen Wort im Gebet der Ritus zur Seite, der auch Unaussprechliches ausdrücken kann.
- Der Mensch betet mit dem ganzen Körper; alle Sinne sind angesprochen und einbezogen, wobei so manche Weiterentwicklung in der Liturgie diesbezüglich wünschenswert wäre. Beispiele: Schönes sehen, Bilder, Blumen, Kerzen, Kunstwerke; hören, in Stille, auf Musik oder auf ein Lied; der Duft von Weihrauch und Blumen; Bewegungen: gehen, sitzen, stehen, knien, tanzen, Gesten; Berührungen: eine Hand, einen Gegenstand; nur das Schmecken scheint etwas schwierig zu verwirklichen. - Der Intellekt (der Verstand) hat dennoch eine wichtige Rolle im Gebet, vor allem in der persönlichen Reflexion auf das, was geschehen ist und was ins Gebet gefasst werden soll bzw. zum Verstehen dessen, was in der Liturgie vollzogen wird. Beispielsweise ist es wertvoll, die klassische Struktur eines Gebetes zu kennen, damit dies das eigene Gebet befruchtet: Diese beginnt mit der Anrufung Gottes (anaklese), dem schließt sich eine Erinnerung an seine Taten an und das Vertrauen, dass er wieder wirken kann (anamnese). Es folgt der Anlass bzw. das Anliegen des Gebets, das vor Gott getragen wird (epiklese). Dabei wird Gott anvertraut, das zu wirken, was zum Guten wird. Abschließend folgt ein Lobpreis (doxologie) sowie das Amen (so sei es). - Im Gebet kommt der Mensch mit all seinen Emotionen und Gefühlen, ja mit der ganzen Palette dessen, was er in der Seele empfinden kann. Jedes Gefühl soll auch in der Liturgie entsprechend angesprochen werden. Ein Medium dazu sind Lieder. Sie schaffen Atmosphäre, sie bestärken ein Gefühl der Zugehörigkeit, sie nähren den Glauben, wenn sie entsprechend qualitätsvoll sind. - Zu unterscheiden ist das christliche Gebet vom so genannten traditionellen Gebet. Im traditionellen Gebet "gibt" der Mensch etwas an Gott (Opfer, Versprechen) und erwartet dann die Erfüllung seines Anliegens. Im christlichen Gebet hingegeben wird Gott als Gebender anerkannt, dem eine Antwort gebührt (Lob, Handeln). Dies geschieht im Vertrauen, dass er das Anliegen zum Besten führt. (Nach Arnaud Join-Lambert, « Que signifie apprendre à prier ? »