Kirchenzugehörigkeit besitzt weder eine immunisierende noch eine befördernde Wirkung auf Offenheit für Populismus.
Durch Wertebindung besteht aber Potential für eine verstärkte Polarisierung innerhalb der Kirchenmitglieder und Christen!
Religion ist ein Markierungsfaktor für Fremdidentifikation. „Islam“ dienst als Fokus für gruppenbezogene Ablehnung.
Stereotype und Zuschreibungsmöglichkeit über „Islam“ fördert Polarisierung zwischen Identitätsgruppen.
Populisten greifen auf die Distanz in der Bevölkerung zum „Islam“ zurück und verstärken diese aus wahltaktischen Gründen.
Christliche Kirchen könnten die Rolle eines Mittlers bzw. Moderators in Bezug auf das „Islambild“ einnehmen.
Anfragen der Mitglieder an Kirchen sind unterschiedlich.
Populistische Kommunikation.
Aus dem Referat Andreas Scheu
Populistische Kommunikation ist geschickt, raffiniert, mehrdeutig. Man hat für verschiedene Gruppen unterschiedliche Botschaften. Das Ziel bleibt immer die Verunglimpfung anderer und das Versprechen von Heil, das nur man selbst verwirklichen kann.
Populisten haben eigene Medien; kritische Medien werden diffamiert: Man will eine populistisch angepasste homogene Medienlandschaft.
Stilistische Elemente:
Narrativität: Man greift narrativ Konflikte aus und dramatisiert sie.
Negativität: Man weist auf Fehler hin, betont die momentane Krise, für die Andere verantwortlich sind, die nichts Gutes zustande bringen.
Personalisierung: Man benennt Schuldige.
Emotionalisierung: Man erzeugt Wut, Ärger – sowohl gegenüber einer Geschichte, als auch gegenüber denen, die dafür schuldig gemacht werden.
Vereinfachung: Man stellt die Probleme und Lösungsmöglichkeiten vereinfacht dar.
Strategie und Ziele:
Machtgewinn und Machterhalt
Einflussnahme
Verstärkung der eigenen Position
Legitimierung
Mobilisierung
Das Problem in Bezug auf Medien: Populistische Kommunikation entspricht journalistischen Auswahlkriterien und erhöht dann die Aufmerksamkeit und die Akzeptanzbereitschaft für Populisten und deren Ideologien.
Oft fehlen Unterscheidungsmerkmale zwischen einer allgemein medialisierten Politik heute und populistischen Positionen.
Was bedeutet Populismus?
Aus dem Referat Hans-Jürgen Puhle
Populisten berufen sich auf „das Volk“, auf eine „schweigende Mehrheit“, das von einer (politischen) „Elite“ nicht gehört oder berücksichtigt wird. Man begründet damit, einen „moralischen Anspruch“ zur Vertretung von Anliegen – auch im Stil einer „gerechten Empörung“.
Ja, es geht um einen Alleinvertretungsanspruch: Wir sind das Volk. Wir sind die Guten.
Alle anderen sind gegen das Volk, gegen deren (berechtigte) Anliegen. Alle anderen (politischen Mitbewerber) sind die Bösen bzw. sind so weit abgehoben, dass sie das Volk nicht vertreten und daher beseitigt werden müssten.
Populisten entscheiden, wer wirklich zum Volk gehört oder wer die Volksfeinde sind: nämlich alle Andersdenkenden bzw. alle, die „anders“ sind. (Wo dies mit Ethnie oder Nation verbunden wird, ist dies rassistisch.) Die Anderen werden ausgegrenzt.
Man spaltet die Gesellschaft: in Volk und Eliten, in Gute und Böse, in Schwarz und in Weiß. Man polarisiert. Man will die ausschließen, die sich nicht der eigenen Vorgangsweise unterordnen.
Anknüpfungspunkte für Populisten sind Ängste, egal ob diese begründet sind oder nicht. Man neigt zu Verschwörungstheorien. Man befördert eine Stimmung: Wenn es so weitergeht, geht alles den Bach hinunter. Nur wir erkennen das. Nur wir wollen das ändern. Nur wir sollten die Verantwortung für die weitere Entwicklung haben. – Man benennt Schuldige: alle, die anderer Meinung sind oder die Kritik an diesem Populismus üben: etablierte Parteien, Eliten, Kirchen, Medien usw.
Populisten sind anti-liberal, anti-pluralistisch, anti-demokratisch.
Zu unterscheiden ist Populismus als Ideologie (wie oben beschrieben) von populistischen Elementen, die sich auch anderswo in Stil, Rhetorik, gesellschaftlichen Mechanismen finden lassen.
Ein entscheidendes Kriterium ist: Wie geht man mit Minderheiten, mit Andersdenkenden, mit „Anderen“ um?
Zu unterscheiden ist auch Populismus dort, wo er sich gegen Totalitarismus und Diktatur formiert.
„Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13,35)
Evangelium:
Das Liebesgebot ( Joh 13,34-35, Joh 15,17)
Der Auftrag einander zu lieben, ist ein immer neues Gebot. Liebe muss oft mühsam errungen und sorgfältig gepflegt werden. Liebe fällt leicht, wenn sie mit Sympathie und guten gemeinsamen Erfahrungen verbunden ist. Sie fällt schwer in Konflikten und bei einer Antipathie, für die es manchmal keine Erklärung gibt. So kann Liebe in verschiedenen Situationen gegenüber jeweils anderen Mitmenschen Unterschiedlichstes bedeuten.
Gemeinsam ist der christlichen Liebe das Fundament Jesus Christus und die Orientierung an seinen Worten und Geboten. Das wunderbare Bild der Liebe ist nicht mit oberflächlicher Harmonie oder unverbindlicher Nettigkeit zu verwechseln. Denn im Ernstfall der christlichen Liebe geht es um den rückhaltlosen Einsatz füreinander über alle Differenzen hinweg. Die Kirche in Zeiten der Verfolgung bietet ein eindrucksvolles Bild dieser Solidarität, die zwischenmenschliche Antipathien (unter Christen) nie auslöschen, aber wirkungslos machen und überwinden kann. Demgegenüber macht sich eine in sich zerstrittene Kirche nur lächerlich. Das Auswälzen von Konflikten, das leichtfertige und lieblose Reden über andere, das Polarisieren und Fixieren auf irgendwelche Positionen, das Recht-Haben-Wollen, Taktik usw. widersprechen dem Liebesgebot. Menschen, die dies tun, sind nicht wirklich vertrauenswürdig, auch wenn sie unzählige Talente haben und diese in das Leben der Glaubensgemeinschaft einbringen. Das sich nach außen abzeichnende Bild einer Kirche der Reibereien entspricht leider einer inneren Wirklichkeit, die durch tägliche Umkehr zur Liebe verändert werden kann.
Diese Realität ist viel schlimmer, als es der Alltag erahnen lässt. Wo kleinliche Streitigkeiten den Eindruck in der Öffentlichkeit bestimmen, hat die Gemeinschaft der Gläubigen ihren Auftrag verraten. Sie hält sich nicht an Wort und Beispiel Jesu: Wie kann sie ihn da noch glaubwürdig verkünden? Keine Sachfrage kann es wert sein, das Liebesgebot auch nur ein einziges Mal hintanzustellen.
Vielleicht geht es gar nicht mehr um eine Verkündigung des Evangeliums, wenn die internen Konflikte so reizvoll sind, dass weder Zeit noch Kraft für ein Wirken nach außen vorhanden wäre. Ein Zeichen dafür ist der mangelnde missionarische Eifer, der aufgrund einer oberflächlichen positiven Bewertung der „Welt“ vorübergehend ein wenig eingeschlafen ist. Kraft und Eifer haben nur liebende Menschen, die um das Zeugnis der Liebe in allen Situationen des Lebens ringen können. Die Vertrauenswürdigkeit der Kirche hängt damit engstens zusammen. Denn wo nicht geliebt wird, kann kein Vertrauen gewonnen werden.
Im Stammbuch einer christlichen Konfliktkultur gehört dieser Satz ganz an den Anfang: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.“
Es geht in jeder Begegnung um Jesus selbst, denn seinem Beispiel der Liebe soll ein Jünger folgen. Wo er dies nicht tut, wird Jesus nicht geliebt, wird Jüngerschaft nicht realisiert. Was übrig bleibt, ist eine Glaubensabschreckung, weil es dem sogenannten Jünger de facto um vieles, aber nicht wirklich um das Evangelium geht. In dieser Stunde der Kirche unseres Landes kippt das herrliche und in dieser Weise wohl einzigartige Liebesgebot Christi im Sinn einer christlichen Konfliktkultur in eine ernste Warnung. Aber es bleibt zugleich ein Auftrag, der eine Veränderung bewirken kann, wie sie allein sinnvoll ist – in der Liebe.
Konfliktkultur: Feindesliebe - Verhalten gegenüber den Feinden
„Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.“ (Lk 6,35)
Evangelium:
Feindesliebe (Mt 5,38-48, Lk 6,27-36)
Die hier beschriebenen Verrücktheiten finden sich bei den Evangelisten in unmittelbarer Nähe zu den Seligpreisungen im Rahmen der Bergpredigt (Matthäus) bzw. der Feldrede (Lukas).
Was das im Menschen verwurzelte Übermaß an Liebe hervorbringen kann, wird in einer Extremsituation beschrieben. Der Christ ist berufen, Gott ähnlich zu werden und Barmherzigkeit in vollem Umfang zu leben. Können die hier gegebenen Weisungen überhaupt im Leben umgesetzt werden? Denn die Selbstachtung und das Maß der Nächstenliebe, das dem der Eigenliebe entsprechen soll (Mt 22,38; Mk 12,31; Lk 10,27), verlangen doch einen auf Gegenseitigkeit beruhenden fairen Umgang miteinander. In diesem Sinn sind Ungerechtigkeiten nicht zu ertragen, zumal der andere entsprechend seiner Fehler gemahnt werden soll (vg. Mt 18,15-20). Also muss noch etwas anderes hinter dieser Bibelstelle stecken.
Die Lebensführung der Christen soll dem Beispiel des in der Liebe vollkommenen und barmherzigen Gottes entsprechen. Gott ist souverän gegenüber dem Bösen und lässt sich nicht von seiner Liebe abbringen. Fast spielerisch zeigt er in der Geschichte Israels, wie unbeeindruckt er von rücksichtslosesten oder lästigsten Behandlungen bleibt. Die Grenzen seiner Geduld und seiner Liebe sind nicht auslotbar.
Letztlich können nur von Gott gelenkte Formen des Guten das Böse überwinden. Im Vertrauen darauf kann eine christliche Konfliktkultur bis in extreme Beweise von Geduld, Friedfertigkeit und heroischer Gelassenheit führen. Im Hintergrund weiß man, dass dies für die Ewigkeit zählt. Demgegenüber kann anderes, das heißt jede erdenkliche Unannehmlichkeit, gering geachtet werden. Der Lohn bei Gott wird groß sein (vgl. Mt 5,12).
Um diese Stelle nicht in Richtung einer Spiritualisierung abzuschwächen, soll dies genauer erläutert werden.
Zu Mt 5,38-42, Lk 6,29-30
Was für einen Sinn hat es, bei Ungerechtigkeiten keinen Widerstand zu leisten?
Ein paar mögliche Aspekte: Die eigene Ruhe kann die Affekte des anderen überwinden. Es geht um eine Haltung innerer Souveränität, nicht um eine Unterwerfung unter den Stärkeren. Die Macht des Anderen wirkt nur äußerlich, innerlich bleibe ich sogar in einer solchen Situation voll Liebe. Die eigene Großzügigkeit ist größer als kleinliche Gier und überwindet diese damit. Das Gute lässt sich vom Bösen nicht beeindrucken.
Wer mehr erhält, als er aus feindlichen Motiven heraus anstrebt, wird überrascht sein – und damit unter Umständen „ansprechbar“. Die Geringschätzung von Materiellem bezieht sich auf den Vorrang der Liebe nach dem Beispiel Gottes. Nur was in Gottes Augen wichtig ist, ist es auch für mich. Was für ihn praktisch nichts oder wenig bedeutet, ist letztlich für mich ebenso belanglos.
Zu Mt 5,43-48; Lk 6,27-28. 32-36
Die Liebe zu Feinden sprengt die Grenzen menschlicher Verhaltensweisen. Wo die Liebe bzw. der freundliche Umgang unter Gleichgesinnten nichts Besonderes ist, öffnet eine positive Zuwendung zu Gegnern eine neue Dimension der Mitmenschlichkeit. In welcher Form dies verwirklicht werden kann, muss erprobt werden. Die Liebe bzw. die Phantasie der Liebe ist grenzenlos. Grundlegend ist das Bemühen, selbst im Feind den Menschen zu sehen, der Ebenbild Gottes ist. Im Gebet für ihn kann ich ihn unter den Einfluss Gottes stellen, ihn Gott näherbringen und so Feindseligkeit bekämpfen. Gott bewirkt durch mein Bitten Wandlungen, sei es bei mir, sei es beim anderen, sei es bei uns allen, sei es in der Atmosphäre.
Das erlebte Beispiel der Feindesliebe durch Bekenner und Märtyrer hat viele Menschen zu allen Zeiten von der unendlichen Größe und Kraft der Botschaft des Evangeliums überzeugt. Wer einmal ein Stück davon verwirklichen kann, hat tatsächlich Anteil an der Vollkommenheit Gottes. Ein Lohn mag kommen und menschlich Planbares überschreiten.
Eine christliche Konfliktkultur wird diese Vision des Sieges des Guten wachhalten. Die Spannung zwischen Unendlichkeit und Endlichkeit bleibt aufrecht. Das unvollkommene Bemühen bleibt immer hinter der Vollkommenheit zurück; und das bloße äußerliche Befolgen der Worte Jesu in einem spannungslosen Fatalismus artet in Dummheit oder Schwäche aus.
Der Gläubige ist der Liebe ausgeliefert. Er kann für Außenstehende in diesem Sinn wie ein Narr wirken (vgl. 2 Kor 11,16 – 12,13). Wer ihm jedoch näherkommt, erfährt etwas von Gott.