Genau genommen lebt Kirche von den verschiedenen Spannungsfeldern
Genau genommen lebt Kirche von den verschiedenen Spannungsfeldern, nicht von deren einseitigen Auflösung.
Kirche lebt von actio und contemplatio, vom Tun und Beten, von Diakonie und Liturgie, von Innovation und Tradition, von alten und neuen Orten, von der Region und der Nachbarschaft, vom individuellen Vollzug und von der Gemeinschaft, vom Wachsen und Loslassen.
Kirche lebt von der Risikobereitschaft bei innovativen Projekten und von der Routine, die sich im Alltag des pastoralen Tuns ergibt. Kirche lebt vom unternehmerischen Handeln, von Ideen, von Start-Ups oder FreshX, die als solche noch nicht oft erkannt werden, und von der Bestän-digkeit in der Abarbeitung des Kirchenjahres. Wichtig ist zu fragen: Wo steckt die Leiden-schaft?
Kirche lebt durch Impulse aus anderen Kirchenerfahrungen wie in London, auf den Philippinen oder in Baltimore, aber auch vom Ernstnehmen der Gegebenheiten vor Ort. Impulse von außen inspirieren, gelebt wird der Geist des Evangeliums am konkreten Ort. Denn Spiritualität im Alltag beginnt dort, wo etwas Konkretes für den Nächsten liebevoll getan wird.
Kirche wächst an neuen, aber auch an alten Orten. Sie kann an neuen Orten, in unterschied-lichen Milieus entdeckt, gefunden oder erfunden werden, genauso auch an alten Orten. Alte und neue Orte sind spannend, inspirierend, sie müssen nicht ausgespielt werden. Es ist gut, wenn gezielt überlegt wird, wie durch Ort und Atmosphäre verschiedene Menschen ange-sprochen werden können.
Kirche wächst im größeren Raum, inhaltliche Netzwerke sind möglich. Kirche lebt in der Praxis von Menschen in der Nachbarschaft, im Dorf, in der kleinen christlichen Gemeinde durch Eigenständigkeit und Verantwortung vor Ort. Es kommt auf das Zueinander von Kirche im Dekanat, im Seelsorgeraum und der einzelnen Pfarrgemeinde an.
Kirche, Spiritualität lebt von Improvisation, Phantasie und Kreativität, von Begeisterung. Es braucht das Zeugnis des Glaubens, das Menschen geben. Das fördert die überraschende Entwicklung von Kirche. Kirche lebt und entwickelt sich als geistgewirkter Prozess, genährt aus der Kraft des Wortes Gottes. Bei dieser Entwicklung geht es darum, Räume und Möglichkeiten zu eröffnen, um Neues entdecken zu können. Überall, wo Menschen mit Leidenschaft ihren Glauben leben, kann Kirche wachsen und fruchtbar für andere sein.
Es gibt die Versuchung, die Spannungsfelder aufzulösen. Wenn du genug betest, dann wird sich alles zum Guten wenden, dann wird Kirche wachsen. Das Gebet lebt davon, wie es den Anderen, den Alltag ernst nimmt, den Alltag wahrnimmt. Es braucht den Raum für das individuelle Gebet und den Raum für das Gebet in Gemeinschaft. Beides hat seinen Wert. Gebet rührt am Innersten und Tiefsten des Menschen. Die Einmaligkeit vor Gott muss gewahrt werden. Spiritualität braucht den Freiraum und Möglichkeitsraum. Vielfalt ist daher unab-dingbar.
Kirche steht in der Spannung zwischen Wachstum und Loslassen, zwischen Leistungs-steigerung und Askese. Missionarische Initiativen sichern das Überleben von Kirche, im Sturm der Begeisterung darf aber nicht übersehen werden, wo Grenzen überschritten werden. Der Traum der Macht ist zu verabschieden. Autorität kann durch Glaubwürdigkeit erlangt werden, z.B. im Engagement für Geschlechtergerechtigkeit. Genau genommen kann da Kirche noch weit denken.
Sebastian Schneider, Arbeitsstelle Gemeindeentwicklung
Gebete - Betrachtungen zur Heiligenverehrung
"Wir rufen euch an - Betrachtungen zur Heiligenverehrung"