Konfliktkultur: Lebensstil - "Wer es erfassen kann, der erfasse es..."
„Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht, und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es.“ (Mt 19,12)
Evangelium:
Wer das erfassen kann, der erfasse es (Mt 19,12)
Die Verkündigung Jesu ist nicht restlos klar. Er kann nicht einmal seinen Jüngern alles erklären. Die Logik menschlichen Denkens kann nicht alles ergründen, was im Zusammenhang mit dem Himmelreich anders werden kann als wir gewohnt sind.
Jesu bemühende Erklärungen haben eine Grenze. Nur gelebt kann mitvollzogen werden, was er meint. Es geht um schwer bzw. gar nicht begreifliche Umstände, die sich bei einigen vom Reich Gottes Ergriffenen in einem bestimmten Lebensstil ausdrücken, der ein Stück weit anders ist als üblich, als es für normal gilt (wobei dies stets nur von außen betrachtet wird).
In Verbindung mit einem Engagement für das Reich Gottes sind solche „anderen Lebensstile“ sinnvoll. Es passt zu denen, die eine solche Lebensart gewählt haben bzw. dazu berufen wurden, es wirkt sich liebevoll aus und ist daher glaubwürdig.
So ist Zurückhaltung angebracht angesichts der Beurteilung eines etwas anderen Lebensstils, einer Eigenart oder eines Gegen-den-Strom-Schwimmens. Das entscheidende Zeichen, ob dies lediglich eine Marotte, eine fromme Einbildung, etwas Unnötiges oder tatsächlich Frucht eines geistlichen Weges mit Gott ist, zeigt sich in den Früchten der Liebe.
Wo das Beharren auf einer bestimmten Art eines christlichen Lebensstils mit Ausgrenzung, Intoleranz, Arroganz, Schwarz-Weiß-Denken, Abschätzigkeit, Verdächtigungen verbunden ist, stammt dies nicht vom Guten. Wo es darum geht, sich in einem Lebensstil äußerlich an gewisse Regeln anzupassen, wo es de facto nicht wirklich (nicht mehr wirklich) um das Himmelreich geht, fehlt der innere Sinn eines solchen vom gewohnten abweichenden Lebensstils. Wo hingegen die Verteidigung eines bestimmten Stils demütig, offen, von Liebe getragen, tolerant für andere Wege und auf sie bezogen bleibt; wo nach Verständnis und nach dem Gemeinsamen gesucht wird, werden die Kriterien des Evangeliums verwirklicht.
Hier erübrigt sich jeder Konflikt über eine äußerlich unterschiedliche, sogar unverständliche Realisierung von Liebe. Die Überschreitung des Begreifbaren stellt kein Problem dar, weil dahinter die Echtheit einer Person steht, die auf ihre ganz persönliche Art Liebe vermittelt.
Was hat das mit einer christlichen Konfliktkultur zu tun? Es ist eben nicht alles verstehbar, besonders wenn der Blick äußerlich bleibt. Unterschiedliche Lebensformen sollen nicht gegeneinander ausgespielt oder über- bzw. untergeordnet werden. Um des Himmelreiches willen ist manches sinnvoll, was nicht unbedingt menschlich logischen Vorstellungen entspricht.
Es gilt, tolerant zu sein, es bei dem eigenen Nicht-Verstehen zu belassen und den anderen zu akzeptieren, wie er ist. Niemals sollte das ein Grund für Konflikte sein, die aus dem mangelnden Zutrauen kommen, dass Gott im anderen wirkt, wenngleich ich dies mit meiner begrenzten Einsicht nicht mitvollziehen kann.
Der Satz „Wer es erfassen kann, der erfasse es“ kann sich auf vieles beziehen. Man muss die Grenzen des eigenen Fassungsvermögens eingestehen, aber man kann Gott zutrauen, dass er weiß, was er tut und wohin er die Menschen führt.
Menschliche Regelungen sind als Stütze hilfreich, gerade in Situationen der Verunsicherung und der Müdigkeit. Denn der Sinn eines Lebensstils muss immer wieder neu errungen werden, in der Ehe wie in der Ehelosigkeit, in der Arbeit wie in der Freizeit. Man hat ihn nicht ein für allemal gewonnen. Er wird immer wieder von neuem geprüft.
Und man muss akzeptieren, dass es manches um des Himmelreiches willen im eigenen Leben gibt, das man nicht ganz versteht. Aber man kann es im Vertrauen auf Gott in Kauf nehmen und sich führen lassen.
Eine christliche Konfliktkultur wird einen größeren Horizont und weitere Perspektiven haben müssen als dies grundsätzlich üblich, logisch oder naheliegend ist. Freilich wird sie ihre Beobachtung dabei auf die Verwirklichung des Guten in all seinen Spielarten richten. Das erlaubt dessen vorbehaltlose Anerkennung überall, wo Bruchstücke der Liebe zu finden sind, sogar wenn in anderen Elementen einer Lebensform Irrtümer bezüglich der Verwirklichung des Willens Gottes vorliegen mögen.
Wer es fassen kann, der fasse es. Wer es nicht fassen kann, möge in seiner Betrachtung zurückhaltend sein und jeden Wert gemäß der verwirklichten Liebe einmal anerkennen.