Konfliktkultur: Durchhalten - Vom Höhepunkt der Not
„Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet.“ (Mk 13,13)
Evangelium:
Vom Höhepunkt der Not (Mt 10,17-22; 24,6-14, Mk 13,7-13, Lk 21,12-19)
Was Jesus hier in seiner Rede über die Endzeit (Mk 13, Mt 24-25, Lk 21,5-36)
voraussagt, ist alles andere als erfreulich. Erschrocken und gefasst im Hinblick auf die bevorstehenden Ereignisse bleibt den Jüngern nur, wachsam zu sein, und die Entwicklung der Dinge trotz aller Wirrnisse recht zu verstehen. In ihrem Innersten sollen sie ruhig bleiben. Nichts kann so dramatisch sein, dass es nicht noch einmal von Gott getragen wäre, was sich spätestens am Ende zeigen wird. Dann werden alle gerettet, die für Christus durchgehalten haben.
Im skizzierten Katastrophenszenario wirkt die Vorstellung einer gesellschaftlichen Verwirrung und einer Konfusion dessen, was „recht“ ist, äußerst realistisch und erinnert an einen geistigen Zerfall aufgrund einer Absolutsetzung des Pluralismus, bei dem auch Grundwerte preisgegeben werden. Vermutlich werden in einer solchen Situation nicht nur Christen verfolgt, sondern alle, die nicht im herrschenden Strom geistiger Verwirrung mitschwimmen. Wer sich dagegen als wachsam erweist, muss mit allem rechnen. Er hat aber einen kleinen Vorsprung, um den Ereignissen zumindest innerlich zu begegnen.
Der Verfolgungsgrund gegen die Christen ist die Zugehörigkeit zu Jesus Christus in Wort und Tat. Unter dieser Voraussetzung wird das Leben zu einem einzigen Zeugnis, das vom Heiligen Geist durchdrungen ist. Nichts anderes zählt mehr, keine menschliche Unzulänglichkeit, keine Debatte über Sach- und Strukturfragen oder über unterschiedliche „Kirchenbilder“, sondern einzig die Gemeinschaft mit Jesus.
Der Ertrag dieser Bibelstelle für eine christliche Konfliktkultur ist vielschichtig. Zunächst geht es um eine innere Vorbereitung auf mögliche wirre Zeiten. Weltweit gesehen finden diese derzeit – wie in jeder geschichtlichen Epoche – an mehreren Orten statt. In Mitteleuropa herrscht dagegen relative Ruhe. (Man lasse sich nicht durch beunruhigende Meldungen beunruhigen, diese gibt es immer.) Trotzdem ist Wachsamkeit angesagt, denn wie schnell eine gesellschaftlich ausbalancierte Situation kippen kann, hält uns die Zeitgeschichte eindringlich vor Augen. Niemand wird in der nächsten Zeit in den deutschsprachigen Ländern mit einem Chaos rechnen, aber bestimmte vorhersehbare Entwicklungen sind beunruhigend (Arbeitslosigkeit, Rassismus, Gewaltbereitschaft, Klimawandel) und unvorhersehbare Ereignisse von außen sind nie gänzlich ausgeschlossen (etwa das Szenario einer Völkerwanderung aus dem Osten oder aus der Dritten Welt).
Zwei tröstende Worte vermittelt Jesus in dieser Vorstellung eines gesellschaftlichen Super-Gaus, der sogar die bittersten Erfahrungen eines Verrates innerhalb der Familie skizziert. Einmal ist da die Verheißung der Hilfe durch den Heiligen Geist in entscheidenden Situationen. Die menschliche Voraussicht wird abgelöst von der göttlichen Führung. Ob das die Richter beeindruckt, bleibt offen, aber jedes Wort, das von Gott durch einen Christen gesprochen wird, hat seinen Wert und seine Wirkung, die über diese Erde hinausgehen.
Weiters ist die Verheißung der Rettung am Ende tröstend. Sie ereignet sich, wenn – rein menschlich gesehen – alles aussichtslos ist. Die Erfahrung von Hass von allen Seiten aufgrund eines religiösen Bekenntnisses, das seine Anhänger doch zum Tun des Guten auffordert, ist unvorstellbar, aber trotzdem an verschiedenen Orten der Erde bitterste Realität.
Der Trost Jesu für das Ende ist zugleich ein innerweltlicher Auftrag, als Christ zur Rettung jener Menschen beizutragen, die in einem gesellschaftlichen und politischen Chaos unter die Räder kommen. Hier weiß sich eine politische bzw. caritative Aktion für Verfolgte und Diskriminierte christlich motiviert. Und eine christliche Konfliktkultur kann einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gehen.
Noch ein Aspekt klingt an, mit dem aus christlicher Sicht zu rechnen ist: Das Verhältnis zur Welt wird an dieser Stelle als radikaler Gegensatz beschrieben. Sicher ist der erste Auftrag, die Welt zu retten (Joh 3, 17), aber eine Ablehnung ist denkbar (Joh 1,11 u.a.). Es wäre einfach, diesen Gedanken in Schwarz-Weiß-Malerei einleuchtend weiterzuführen. Aber die Wirklichkeit ist anderes, differenzierter. Das Ziehen von Grenzlinien ist problematisch, da diese auch in der eigenen Persönlichkeit durcheinanderlaufen und nicht mehr erkannt werden können.
Die Welt ist gut (Gen 1,31), sie trägt Gottes Spuren und sie ist der Boden der Heilsgeschichte. Jeder Mensch hat in sich ein Stück der Wirklichkeit Gottes und kann in seinem Gewissen Gottes Stimme wahrnehmen. Aber dieses Verhältnis zu Gott ist gebrochen und bringt somit auch Früchte der Gottesferne, der Gottesanlehnung hervor: Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Missgunst, Ess- und Trinkgelage u.ä.m. (Gal 5,19-21). Solche Handlungen werden gesetzt, auch wenn sie zumeist verschleiert, gut entschuldigt oder in einer Form von Blindheit manchmal gar nicht wahrgenommen werden.
Im Sinn einer christlichen Konfliktkultur ist ein klarer Standunkt einzunehmen. Argumente sind gefordert, gegenüber Gläubigen, weniger Gläubigen, Andersgläubigen und Ungläubigen, die entsprechenden Gewichtigkeiten aufzuzeigen, und die jeweils verständliche Sprache zu wählen.
Sorge braucht der Christ letztlich keine zu haben, ebenso wenig soll er sich von der Irritation irritieren lassen, ja sogar nicht einmal über seine eigene Verwirrung verwirrt sein. Das Festhalten an Jesus trägt durch alles hindurch.