Konfliktkultur: Pflichterfüllung - Das Gleichnis vom unnützen Sklaven
„So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.“ (Lk 17,19)
Evangelium:
Das Gleichnis vom unnützen Sklaven (Lk 17,7-10)
Diesem Gleichnis liegt eine klare Rollenbeschreibung zugrunde. Der Sklave hat seine Arbeit zu tun und zuerst an den Herrn zu denken. Das ist seine Aufgabe, dafür ist er da. Eine Wertschätzung des Sklaven über Gebühr ist nicht vorgesehen, dann wäre es nicht in der zugeschriebenen Rolle. Es sind Grenzen einzuhalten. Das eventuelle Verlangen des Sklaven nach Zuneigung, Dank oder einer anderen Rolle wäre unangemessen, weil er eben ein Sklave ist und sein Dienst eine Selbstverständlichkeit darstellt (vgl. 1 Kor 7,21).
Diese gesellschaftliche Spielregel gilt auch innerkirchlich. Aber da tauchen Schwierigkeiten mit dieser Bibelstelle auf. Es fällt schwer, sich in rechter Weise in die Rolle des Sklaven hineinzudenken. Denn erstens fühlt man sich nicht als Sklave, sondern viel eher als „Freund“, als „Kind“, als „Mitarbeiter“, als „Erbe“, eventuell sogar als „Partner Gottes“. Zweitens ist das christliche Engagement nicht mit einer Sklavenarbeit vergleichbar, für die man nicht einmal Dank erwarten dürfte (besonders gilt das für Ehrenamtliche). Die Kultur des Dankens ist zwar unterschiedlich verbreitet – manchmal fehlt sie komplett, ein andermal wird sie übertrieben –, aber Jesus legt keinen Wert auf einen Dank für „Selbstverständliches“.
Und das ist die dritte Schwierigkeit. Christliches Engagement möchte oft etwas Besonderes sein (wie allgemeingesellschaftlich alles etwas Besonderes sein soll). Diesen Einsatz als bloße „Pflicht“ zu betrachten, mit der Gefahr, dass man ausgenützt wird, und ich anderen als „Trottel von Dienst“ erscheine, widerspricht dem Lebensgefühl und dem Selbstbild.
Dennoch sind die ernüchternden Worte Jesu wegweisend. In den vielen Bildern der Beziehung zu Gott kann das Sklave-Sein nicht gelöscht werden (vgl. z.B. Mt 10,27; Mk 10,44; Lk 17,10; Röm 6,6, 1 Kor 7,22; 9,19; Eph 6,6; Phil 2,7; 1 Petr 2,18-25). Dies mag nichts anderes heißen als: Ich anerkenne Gott uneingeschränkt als meinen Herrn. Es ist eine freiwillig gewollte existenzielle Bezogenheit auf ihn, von dem ich alles erwarte und erhoffe.
Das mit dem Dank ist eine überlegenswerte Sache. Wo er mehr als Rhetorik sein soll, ist er die Antwort auf eine erfüllte Bitte oder eine ungeschuldete Wohltat. Im Verhältnis zu Gott ist es der Mensch, der zu begründetem Dank aufgerufen ist. Unter Menschen ist Dank etwa am Arbeitslatz angebracht, wenn eine Leistung bzw. ein Engagement über das Geforderte hinausgeht. Aber der Sklave wird diese Arbeit als geschuldet betrachten. Es wäre unangemessen, wenn er für ein Tun Dank erwarten würde, sogar wenn dieses Tun von besonderer Qualität war. Man soll keinen Dank erwarten – das heißt nicht, dass Anerkennung überhaupt fehlen dürfte. Aber diese geschieht anders, z.B. durch Vertrauen, Umgangsformen, Lohn, Feier, Betriebsklima usw.
Ein nicht ausgesprochenes „Danke“, das die einen für wichtig, die anderen für unwichtig betrachten, bedeutet keinen Undank. Es ist hilfreich, dies im Sinn einer christlichen Konfliktkultur wahrzunehmen und sich nicht vorschnell über jenen aufzuregen, dessen Aufmerksamkeit wenig ausgeprägt ist.
„Man tut nur seine Schuldigkeit.“ Wieviel Hochherzigkeit und welches Übermaß an Hilfsbereitschaft kann hinter diesem bescheidenen Satz stecken! Hier sind Menschen, die zuverlässig und umsichtig ihre Aufgabe als Christen an allen Orten erfüllen und daher, wie selbstverständlich, etwas von Gott erfahrbar machen. Sie tun es in dem Bewusstsein, etwas Geschuldetes zu geben, weil sie sich als Empfangende wissen.
Geschuldet wird Liebe (Röm 13,8), die Anerkennung der menschlichen Würde jedes Mitmenschen, Dank an Gott, eine Lebensgestaltung entsprechend dem Willen Gottes und gelebte Mitmenschlichkeit. Wer dafür besonderen Dank erwartet, ist ein bisschen kleinlich, denn all dies gehört zum Leben selbst, das ein Geschenk ist. Es ist viel einfacher, in der Liebe zu sein und sie weiterzugeben, als darüber zu reflektieren und sich gewünschte Belohnungen und Danksagungen vorzustellen. Das würde nur Selbstverständliches verkomplizieren.
Der Rahmen ist vorgegeben, viele Lebensbedingungen sind unverrückbar. In ihnen gilt es, sich zu entfalten gemäß dem von Gott zugewiesenen und verstandenen Platz in der Weltgeschichte.
Im Sinn einer christlichen Konfliktkultur ist diese Bibelstelle ein Aufruf, das Leben zu nehmen, wie es ist, nichts Unangemessenes und kein Verwöhnen zu verlangen, sondern in Treue in den kleinen Dingen das Nötige zu tun. Gott wird das nicht bloß zur Kenntnis nehmen, sondern er wird die entsprechende Anerkennung – ein anderes Mal – im Übermaß schenken. Das ist ihm zuzutrauen.