Konfliktkultur: Respektlosigkeit - Von der Entweihung des Heiligen
„Gebt das Heilige nicht den Hunden, und werft eure Perle nicht den Schweinen vor, denn sie könnten sie mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.“
(Mt 7,6)
Evangelium:
Die Entweihung des Heiligen (Mt 7, 6)
Kann man – im Sinn einer christlichen Konfliktkultur – etwas mit dieser Bibelstelle anfangen? Es wäre fast leicht, wenn man die Hunde und Schweine benennen könnte, denen man nichts Wertvolles anvertrauen darf. Sicher gibt es Menschen, denen man nicht trauen darf, und ihnen etwas Wertvolles anzuvertrauen wäre ganz einfach dumm. Denn sie machen damit, was sie wollen, nicht, wozu das Wertvolle eigentlich da ist. Solche Menschen lassen sich von nichts beeindrucken und haben nur ihre eigenen Vorstellungen im Kopf, die ziemlich beschränkt sein könnten.
Das Bild von (streunenden) Hunden und von Schweinen ist stark, aber es ist ein Bild. Bleiben wir zunächst dabei.
Hunde und Schweine gelten als unrein. Man meidet und verachtet sie. Es ist eine schlimme Vorstellung, dass sie etwas Wertvolles finden und praktisch vernichten.
Aber auch Schweine suchen Futter. Eigentlich wollen sie gar keine Perlen, keinen Schatz, sondern etwas zum Fressen. Wenn sie dabei mehr oder weniger zufällig auf etwas Wertvolles stoßen, können sie damit nichts anfangen. Im Sinn ihrer ursprünglichen Absicht (Fressen) missbrauchen sie dies, vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein. Man kann auch an Bert Brecht denken – „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“ – und es in diesem Zusammenhang so verstehen: Erst geht es ums Überleben, um das Lebensnotwendige, und danach hat man erst die Kraft, sich zivilisiert zu verhalten.
Das Bild steigert sich noch. Denn wenn diese Tiere erkennen, dass man ihnen kein Futter gibt, dann werden sie sogar gefährlich und aggressiv. Sie brauchen eben Futter und nichts anderes.
Auch Hunde und Schweine sind Geschöpfe Gottes. Reinheits- und Unreinheitsvorstellungen hat Jesus auf den Kopf gestellt. Also so verächtlich sind diese Tiere gar nicht wie das Bild bei einem ersten Eindruck dieser Bibelstelle nahelegt.
Allzu schnell ist man versucht, das Bild von den Hunden und Schweinen auf Menschen zu übertragen, die das Wertvolle nicht zu schätzen wissen und das Wertvolle kaputt machen. Vielleicht hat man sogar Situationen erlebt, in denen man an diese Bibelstelle gedacht hat, wenn man mit Personen zu tun gehabt hatte, die alles verachtet und lächerlich gemacht haben, was einem wertvoll und wichtig war, die Kostbares quasi mit Füßen getreten haben… Hier kann man zur Schlussfolgerung kommen: Mit solchen Personen will ich nichts zu tun haben. Sie sind es nicht wert, sie sind nicht würdig … Es wäre dumm, ihnen den Glauben anbieten zu wollen. Besser sie bleiben weg, bevor sie stören…
Aber kann das stimmen? Sind nicht alle Menschen Geschöpfe Gottes und von Gott gewollt und geliebt? Vielleicht brauchen sie etwas anderes und nicht unbedingt Perlen und Schätze, sondern etwas, was ihrer Lebenssituation näher ist? Und mit diesem Gedanken kann ich über das Bild dieser Bibelstelle hinausgehen. Es geht nicht um (konkrete) Personen, sondern um Situationen. Denn es passt ja nicht, jemandem etwas Wertvolles (den „Glauben“) vermitteln zu wollen, wenn jemand etwas konkret Existenzielles benötigt: Hilfe, Beistand, Nahrung, Obdach. Also: Man muss genau auf die Situation schauen, auf die Lebenssituation der Menschen, denen man begegnet. Natürlich würde man ihnen gerne Wertvolles anbieten, aber nicht hier und jetzt. Zunächst noch nicht. Denn sie haben erst etwas davon, wenn sie es zu schätzen wissen, wenn sie erfahren und erkennen, was diese Perlen, was dieser Schatz wirklich ist und was das dann noch einmal für ihr Leben bedeutet und es bereichern kann.