Konfliktkultur: Schlechter Rat - "Weiche Satan..."
„Weg mit dir, Satan geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was Menschen wollen.“ (Mt 16,23b)
Evangelium:
Jesus sagt zu Petrus „Satan“ (Mt 16,21-23, Mk 8,31-33)
Petrus kriegt es kalt-warm.
Unmittelbar zuvor erzählen die Evangelisten von der Petrus übertragenen Vorrangstellung (Mt 16,18). Petrus hat erkannt, dass Jesus der Messias ist (Mt 16,16; Mk 8,29; Lk 9,20). Die Worte und Zeichen Jesu waren für ihn der überwältigende Beweis für die einzigartige Sendung Jesu aus Gott. Das ist nun das Fundament, auf dem Jesus die Jünger tiefer und umfassender in sein Geheimnis einweihen will, wozu untrennbar das Kreuz gehört. Die Konflikte mit den Pharisäern können nicht beigelegt werden, nicht einmal durch den Sohn Gottes. Die Feindschaft wird zunächst einen Triumph über die Offenbarung feiern. Das ist kaum begreifbar. Petrus versteht nicht, dass Gott ohnmächtig erscheinen kann, dass Jesus einen schmachvollen Tod erleiden wird. Ehrlich gesagt, das ist wirklich nicht zu verstehen – aber Realität. Gott lässt Grenzen gegenüber seinem Einfluss zu bzw. er verlangt, dass man auf ihn trotz Scheitern gegen alle Hoffnung vertrauensvoll hofft. Petrus ist mit seiner Sorge und mit seinem Rat gegenüber Jesus gut zu verstehen. Er will das Beste für seinen Freund und Meister. Das Kreuz ist darin unvorstellbar.
Es ist absurd, dass diese Worte der Freundschaft nicht im Sinn Gottes sind. Alle Umstände sprechen für die Berechtigung des Rates des Petrus. Dennoch wehrt Jesus hart ab. Jesus muss ein einseitiges Bild zurückweisen, das im Leben des Liebenden das Kreuz nicht wahrhaben will. Es gehört dazu, auch für die ihm Nachfolgenden (vgl. die anschließenden Aufforderungen zur Nachfolge, Mt 16,24-25; Mk 8,34-35; Lk 9,23-24).
Das Engagement für die Liebe beinhaltet das Risiko des Kreuzes. In der Nachfolge Christi mag man sich deshalb hundertfach als Mitleidender und Mitgekreuzigter erfahren (vgl. Röm 6,6; Gal 2,19; Gal 5,24; Gal 6,14). Gottes Wege gehen auch durch die Dunkelheit, durch Abgründe, durch die Schattenseiten der Welt. Petrus kann das noch nicht erkennen. Sein Christus-Bild ist halb. Entgegen seinen Wunschvorstellungen wird nicht die harmonische Entfaltung der Persönlichkeit, der letztendlich strahlende, für alle erkennbare Sieg der Liebe, sowie Erfolg und Ansehen verheißen. (Angesichts der Weltgeschichte wäre dies für die Verlierer der Jahrhunderte Zynismus.) Sondern es geht um die Annahme des ganzen Christus, des ganzen Evangeliums. Das Ausblenden einer Seite, das bloße Wahrnehmen eines Wunschbildes ist eigentlich vom Bösen. Denn es trübt den realistisch-kritischen Blick auf eine Welt voller Ränder und Schatten. Dann sieht man wirklich nur die im Lichte, denn im Dunkeln sieht man eben nicht bzw. man sieht sie nicht wirklich (Bert Brecht).
Eine christliche Konfliktkultur lebt mit dem Skandal des Leides und des Todes von Unschuldigen. Das ist nicht gottgewollt. Was Gott sehr wohl will, ist die Solidarisierung mit diesen „Besiegten“. Hier kann sich niemand hinter ein halbiertes Bild des Glaubens zurückziehen, auch nicht im Namen psychologischer Erkenntnisse einer humanmenschlichen Persönlichkeitsentfaltung. Diese ist natürlich zu befürworten, wobei jede falsch verstandene Leidensmystik, jede einseitige „Theologie des Opfers“ abzulehnen ist. Aber das kann kein Grund für ein Ausweichen vor dem Auftrag Gottes sein. Der Preis der Anpassung an – verständliche – Harmoniewünsche darf hier nicht gezahlt werden. Das Vorziehen der lichten Seiten des Lebens darf die Wahrnehmung der Realität des Dunkeln nicht verdrängen. Eine christliche Konfliktkultur muss tiefer sehen und schärfer auf die Stimme Gottes hören als es rein menschlich angenehm erscheint.