Konfliktkultur: Fruchtlosigkeit - Das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum
„Vielleicht trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen.“ (Lk 13,9)
Evangelium:
Feigenbaum trägt keine Früchte (Lk 13,6-9)
Die Verfluchung eines Feigenbaums (Mt 21,18-22; Mk 11,12-14, 20-26)
Der Feigenbaum in einem Weinberg ist eine schöne Ergänzung zu den Weinstöcken. So gibt es verschiedene Früchte. Doch nach drei Jahren Fruchtlosigkeit ist die Geduld des Besitzers am Ende. Der Baum nimmt nur, er verbraucht Ressourcen und „dankt“ es nicht. Der Feigenbaum wurde vom Besitzer selbst an diesen Ort im Weinberg bestimmt. Ob er sich woanders wohler fühlen und besser Früchte tragen würde, ist Spekulation. Hier wird er gebraucht. Eine eventuelle Verpflanzung ist im Gleichnis nicht vorgesehen. Also gibt es nur die Alternative, Frucht zu bringen oder unnütz zu bleiben.
Ein zum Fruchttragen bestimmter Baum ist in seiner bleibenden Fruchtlosigkeit sinnlos. Er verfehlt sein Existenzziel und ist „in geistigem Sinn“ tot. Aber es soll noch eine Chance für den Feigenbaum geben: intensive Pflege, wie sie vom Winzer vorgeschlagen wird. Sollte auch dies nichts nützen, mag er endgültig entfernt werden.
Die Antwort des Besitzers auf diesen Vorschlag bleibt aus. Vermutlich stimmt er zu, denn die Argumente sind einleuchtend. Die Erarbeitung einer Chance für den Feigenbaum bringt dem Besitzer keinen Schaden, dafür könnte es doch noch Früchte geben.
Dieses Gleichnis steht im Zusammenhang einer Mahnung Jesu zur Umkehr. Nimmt man den Feigenbaum als Bild für einen Menschen, heißt das: Er soll durch Zuwendung zur Umkehr, d.h. zur Erfüllung seines eigentlichen Lebenssinnes (Frucht zu tragen) gebracht werden. Diesen Sinn soll er an dem Ort leben, wo er ist.
Manche Menschen erleben Zeiten, in denen sie sich in ihrer – vielleicht veränderten – Umgebung fremd fühlen. Sie haben den Eindruck, nicht wirklich hierher zu gehören. Das ist, als würde sich in diesem Gleichnis der Feigenbaum inmitten der Weinstöcke deplatziert vorkommen. Aber es könnte vom Besitzer des Weinbergs ein größerer Plan dahinterstecken. Denn durch den Feigenbaum wird das ganze Grundstück vielfältiger, bunter und wertvoller. Es soll auch Früchte zu Zeiten geben, wenn keine Trauben reifen.
Ein Mensch wird von Gott an einen Ort gestellt. Wenn er sich da – manchmal – nicht ganz „zu Hause“ fühlt, mag ein Plan Gottes dahinterstehen. Zumeist braucht es sowieso eine Gewöhnungsfrist, die unterschiedlich lang dauern kann. Und diese wird gern in jeder Umgebung gewährt. Problematisch wird es, wenn sich nichts verändert, wenn der Fremde fremd bleibt. Der Mensch bleibt in Distanz und erfüllt nicht im Geringsten die in ihn gesetzten Erwartungen. Und so leicht kann er nicht woandershin gebracht werden. Fast ist es gleichgültig, ob es ihn gibt oder nicht. D.h. eigentlich wäre ein Abschied besser, da er sich nur aushalten lässt, Kraft und Platz wegnimmt. Ein anderer wäre vielleicht dankbarer und würde Früchte bringen. Eine Entscheidung über die Zukunft dieses Menschen steht an…
Und hier kann eine christliche Konfliktkultur von diesem Gleichnis profitieren. Der Mensch soll eine Chance haben, die ernsthaft zu erarbeiten ist. Man hilft ihm nach Kräften, macht ihm dies bewusst und gibt ihm Klarheit über seine Situation. In dieser Zeit erfolgt keine Vorverurteilung, sondern man bemüht sich um einen echten und umfassenden Neuanfang. Vielleicht hat man von Seiten des Weinbergs, des Ortes, etwas unterlassen, so dass die Fremdheit noch nicht überbrückt werden konnte. Das kann man nachholen, d.h. man muss nachdenken, Versäumnisse zugeben und das Beste versuchen. Dafür gibt es eine Frist. Endlose Bemühungen sind nicht vorgesehen. Einmal wird ein Schlussstrich unter eine fruchtlose Situation gezogen.
Das Erfreuliche an diesem Gleichnis ist die Geduld und das große Engagement für den Feigenbaum, für einen Menschen. Aber er hat den Auftrag, Frucht zu bringen und seinen Lebenssinn zu leben. Eine Verweigerung, ein Ausweichen vor der Annahme der persönlichen Berufung von Gott her bedeutet Sinnlosigkeit, Ärger und Unglück. Denn dann wird kein „Segen“ sein. Ein Abgetrennt-sein vom Segen heißt anders formuliert: „Verflucht-sein“. Wenn Jesus den fruchtlosen Feigenbaum „verflucht“, bestätigt er dessen Sinnlosigkeit.
Es wäre die Zeit zum Frucht-bringen gewesen. Wer dazu bereit ist, wird belohnt werden, wer nicht, mag ausgeschlossen sein (vgl. das Gleichnis von den zehn Jungfrauen – Mt 25,1-13, sowie das Gleichnis vom treuen und vom schlechten Knecht – Mt 24,43-51; Mk 13,33-37; Lk 12,35-48)