Konfliktkultur: Passivität - Das Gleichnis vom anvertrauten Geld
„Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen. Ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Mt 25,21)
Evangelium:
Das Gleichnis vom anvertrauten Geld (Mt 25,14-30, Lk 19,11-23)
Trotz der Unterschiede zwischen Matthäus und Lukas bleibt der Konfliktstoff in dieser Erzählung gleich. Es geht um den einen Diener, der das anvertraute Geld versteckt hat, ohne sich weiter darum zu kümmern. Er kann es zurückgeben, das heißt, dem Herrn entsteht kein Schaden außer den nicht gewonnenen Zinsen. Trotzdem wird scharf reagiert. Der Diener ist ungeschickt. Er erteilt dem Herrn eine Belehrung und klagt ihn an. Er überschätzt – ehrlich und frech – seine Kompetenz und macht eigentlich den Herrn für sein Nichts-Tun verantwortlich: Er wäre schuld an seiner Ängstlichkeit und infolgedessen an seiner Unmöglichkeit zu handeln.
Der Herr argumentiert etwas eigentümlich, wenn er seine eigene zweifelhafte Art der Vermögensvermehrung zugibt. Dahinter steckt eine Verkürzung des Gesprächsverlaufs. Ein Diener sollte wohl aus Treue und aus Anhänglichkeit zum Herrn dessen Willen tun. Sodann ist das Arbeits- und Lohnverhältnis ein Grund, für die aufgetragene Erfüllung der Aufgabe im besten Sinn zu arbeiten. Wo das noch kein ausreichendes Motiv ist, kann sogar die Furcht ein Anlass für die Ausführung des Auftrages sein.
All das hat bei diesem Diener nicht gegriffen. Was hat er eigentlich die ganze Zeit getan? Wenn er nicht mit der Erfüllung seines Dienstes beschäftigt war, hat er wohl Eigenes erledigt. Er wurde die ganze Zeit als Diener bezahlt und ernährt, dennoch hat er den Dienst nicht getan. Er hat die Abwesenheit seines Herrn, seine Freiheit und die mangelnde Kontrolle ausgenützt. Er hat Zeit gestohlen und sein Arbeitsverhältnis missbraucht.
Die Angst ist entweder eine Konsequenz des schlechten Gewissens wegen diesem Tun oder eine Ausrede, da andere in der gleichen Situation ihre Arbeit getan und nun eine schöne Belohnung erhalten haben. Bei ihnen ist nirgends von Angst die Rede. Sie sind in ihrem Gespräch mit dem Herrn korrekt. Letztlich zeigt die Anerkennung durch den Herrn, dass Freude herrschen wird. Das beweist im Nachhinein, dass de facto kein Grund für Angst gegeben war.
Es wird an dieser Stelle der Heiligen Schrift eine Mahnung zu einer rechten Ethik der Arbeit gegeben. Denn die Haltung des Dieners muss den Herrn aufregen. Wahrscheinlich wäre nicht einmal ein Verlust so schlimm gewesen, wie dieses Nichts. In der Logik von Matthäus und Lukas hätte der Diener eventuell bei verlustreichen Geschäften noch eine Aufgabe erhalten können, wenn auch eine kleine und wenig verantwortungsvolle. Dass der Diener nicht einmal den Weg auf die Bank gefunden hat, ist beschämend und zeigt, wie wenig ihn die Sache des Herrn eigentlich interessiert, wie wenig ihm der Herr bedeutet.
Eine christliche Konfliktkultur wird daher das Anvertraute nie bloß bewahren wollen. Es geht um schöpferisches Tun, um ein Engagement für die Sache Gottes. Ein Festhalten und Verstecken der gegebenen Möglichkeiten ist widersinnig und führt zu Konflikten vor Gott und wohl auch mit denen, die wirklich etwas tun.
Es muss mit der Sache Gottes etwas unter den Menschen geschehen. Sie muss wirken können. Ein Verstecken verhindert den Zugang und macht sie nach außen hin Stück für Stück weniger wert. Sie muss in den Bedingungen der Umwelt gegenwärtig und lebendig sein. Wer in diesem Sinn sein Bestes tut, wird mit größeren Aufgaben und Belohnungen betraut und wird noch größeren Anteil am Wirken und an der Herrlichkeit des Herrn erhalten. Diesen Engagierten wird mehr gegeben als sie je erwarten können.
Die Mahnung des Gleichnisses, jede Kleinigkeit treu zu tun, um für große Dinge vorbereitet zu sein, ist eine Ermutigung für das Tun der alltäglichen Pflicht. Das Leben besteht zumeist aus banalen Dingen, aus Kleinigkeiten, die eine stete Bewährung verlangen. Jedes Tun gewinnt Sinn vor Gott. Einmal kommt die Stunde der Belohnung, vielleicht mit einer verantwortungsvollen Aufgabe, ganz sicher aber mit den kleinen Aufmunterungen Gottes, die man überall um sich wahrnehmen bzw. im Gebet erfahren kann. Gott „belohnt“. Das ist ein Stück Frohe Botschaft für alle Menschen, die treu, zuverlässig, verantwortungsbewusst, engagiert und mit dem Herzen ihr Leben gestalten.