Ö3-Jugendstudie: GenZ distanziert zu Kirchen und dennoch religiös
Die Generation der heute 16- bis 25-Jährigen pflegt ein geringes Vertrauen zu Religionsgemeinschaften, hält aber dennoch religiöse Feste hoch und besucht durchaus auch Gottesdienste: Das geht aus der diesjährigen Ö3-Jugendstudie hervor, die am Mittwoch präsentiert worden ist. Die vom Foresight-Institut begleitete Online-Befragung von knapp 28.000 jungen Menschen in Österreich zeigt weiters eine allgemein hohe Lebenszufriedenheit der „GenZ“ trotz oftmals schlechter psychischer Verfassung, einen langsamen Wandel von Rollenbildern und die hohe Bedeutung der Familie.
Das Feiern religiöser Feste gehört für 60 Prozent der gesamten Altersgruppe zu ihrem Lifestyle, der regelmäßige Gottesdienstbesuch für 16 Prozent. Dabei vertrauen laut den Ergebnissen nur 25 Prozent den Religionsgemeinschaften „ziemlich“ und 5 Prozent „sehr“. 37 Prozent der Befragten berichteten von „wenig“ Vertrauen, jeder Dritte vertraut Religionsgemeinschaften gar nicht. In den Detailergebnissen zeigt sich, dass das Vertrauen bei den 16- und 17-Jährigen höher ist: 37 Prozent gaben hier an, sie vertrauten Religionsgemeinschaften „ziemlich“, elf Prozent „sehr“. In jeder Altersgruppe war unter männlichen Jugendlichen dieses Vertrauen höher als unter weiblichen, bei diversen Befragten hingegen am niedrigsten.
Corona-Nachwirkungen
Auch wenn 86 Prozent der 16- bis 25-Jährigen mit ihrem Leben zufrieden sind, haben die vergangenen Jahre Spuren hinterlassen: Jede oder jeder Vierte berichtet von einer schlechten psychischen Verfassung, geht aus der Ö3-Jugendstudie hervor. Dabei würde jedoch die Mehrzahl (69 Prozent) bei psychischen Problemen nicht zögern, Unterstützung und Hilfe zu suchen. Die ersten Ansprechpartner wären in diesem Fall Eltern und Freundinnen und Freunde.
Auf der Liste der Sorgen der 16- bis 25-Jährigen steht die weltpolitische Lage ganz oben. 80 bzw. 73 Prozent berichten, dass ihnen die laufenden Kriege bzw. Terrorismus Angst machen. Die Mehrzahl (58 Prozent) spricht sich gegen Aufrüstung aus sowie für Neutralität (79 Prozent) statt NATO-Beitritt. 59 Prozent vertrauen auf das Potenzial der Europäischen Union, heutige Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Auch leistbares Wohnen ist für 56 Prozent ein Sorgen-Thema. Erst dahinter folgt der Klimawandel (55 Prozent). 77 Prozent interessieren sich für Politik und politische Prozesse. Aktuelle Nachrichten zu verfolgen ist für 87 Prozent wichtig. Zwei Drittel empfinden Social Media als Zeitfresser, kommen aber nicht los davon.
Familie, Ehe und Beruf
Wie schon in den Vorjahren unterstreicht die Jugendstudie die Bedeutung der Familie für Jugendliche. Mit der Familie Zeit verbringen (88 Prozent) rangierte als Freizeitbeschäftigung gleich hinter Musikhören (94 Prozent) und mit Leuten treffen (91 Prozent) an dritter Stelle, dahinter Chillen und Social Media nutzen (jeweils 84 Prozent) und Filme und Serien anschauen (83 Prozent). Bücher lesen sowie Musik oder Kunst fand sich weit abgeschlagen bei 51 Prozent, „mich bei einem Verein oder bei einem Projekt engagieren“ bei immerhin 47 Prozent der Jugendlichen. 37 Prozent bezeichneten ein Engagement bei Feuerwehr, Rettung, im Umweltbereich oder in Politik und Kirche als „unverzichtbar für mich“, 56 Prozent sagten, sie hätten keine Zeit dafür, nur 7 Prozent lehnten dies als „Ausgenutzt werden“ ab.
72 Prozent der Befragten gaben an, sie strebten selbst die Ehe an oder eine eingetragene Partnerschaft, Dating-Apps verwenden 16 Prozent in der GenZ. Für zwei Drittel aller Befragten sind Kinder Teil eines gelungenen Lebens. Unter den jungen Menschen lehnt aber die Mehrzahl beider Geschlechter die Aussage ab, dass Care-Arbeit Frauen mehr liegen würde – unter den Männern sind es 61 Prozent, unter den Frauen 81 Prozent, wenngleich die Hälfte der Befragten findet, Kinder bräuchten in der Zeit nach der Geburt am besten die Mutter. Aus Sicht der GenZ sollte es dennoch inzwischen völlig normal sein, dass Väter ein Jahr in Babykarenz gehen - 91 Prozent der jungen Frauen und 76 Prozent der jungen Männer denken dies.
Einig ist sich die GenZ darüber, was in ihrem Berufsleben zählt: An erster Stelle stehen dabei ein sicherer Arbeitsplatz, eine sinnvolle Tätigkeit, arbeiten auf Augenhöhe und arbeiten im Team – für jeweils rund 75 Prozent ist dies sehr wichtig. Mit 59 Prozent etwas abgeschlagen folgt Work-Life-Balance, für 29 Prozent ist Homeoffice unerlässlich und für 25 Prozent die Vier-Tage-Woche. Das Klischee, die GenZ sei arbeitsscheu, wird laut der Ö3-Jugendstudie nicht bestätigt. Für 80 Prozent der jungen Menschen ist es selbstverständlich, Vollzeit zu arbeiten.
„Unterschätzte Generation“
Von den Studienautoren wird die GenZ als „unterschätzte Generation“ bezeichnet. „Die 16-25-Jährigen bauen ihre eigene Welt – und zwar ganz individuell. Immer deutlicher wird aber auch der Befund, dass sie sich missverstanden, nicht ernst genommen und nicht gehört fühlen“, heißt es in der Kurzbeschreibung der Ergebnisse. Jugendliche von heute handelten verstärkt pragmatisch und vor allem bedürfnisorientiert, wobei Sicherheit und Klarheit fürs eigene Leben weit vorne stünden.
Eine „selbstbewusste Generation“ gehe ihren Weg auch „abseits von vielen Erwartungshaltungen“. Individualität sei wichtig, oft würden auch Tabus gebrochen. „Tatsächlich sind viele der 16-25-Jährigen gut ausgebildet und digital native, kritisch und optimistisch, achtsamer und gleichzeitig pragmatisch, traditionell und dennoch weltoffen(er) – gute Voraussetzungen, große Probleme unserer Zeit nicht nur zu benennen, sondern mit neuem Denken und Herangehensweisen auch zu lösen“, so die Studienautoren.
Quelle: Kathpress