„Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13,35)
Evangelium:
Das Liebesgebot ( Joh 13,34-35, Joh 15,17)
Der Auftrag einander zu lieben, ist ein immer neues Gebot. Liebe muss oft mühsam errungen und sorgfältig gepflegt werden. Liebe fällt leicht, wenn sie mit Sympathie und guten gemeinsamen Erfahrungen verbunden ist. Sie fällt schwer in Konflikten und bei einer Antipathie, für die es manchmal keine Erklärung gibt. So kann Liebe in verschiedenen Situationen gegenüber jeweils anderen Mitmenschen Unterschiedlichstes bedeuten.
Gemeinsam ist der christlichen Liebe das Fundament Jesus Christus und die Orientierung an seinen Worten und Geboten. Das wunderbare Bild der Liebe ist nicht mit oberflächlicher Harmonie oder unverbindlicher Nettigkeit zu verwechseln. Denn im Ernstfall der christlichen Liebe geht es um den rückhaltlosen Einsatz füreinander über alle Differenzen hinweg. Die Kirche in Zeiten der Verfolgung bietet ein eindrucksvolles Bild dieser Solidarität, die zwischenmenschliche Antipathien (unter Christen) nie auslöschen, aber wirkungslos machen und überwinden kann. Demgegenüber macht sich eine in sich zerstrittene Kirche nur lächerlich. Das Auswälzen von Konflikten, das leichtfertige und lieblose Reden über andere, das Polarisieren und Fixieren auf irgendwelche Positionen, das Recht-Haben-Wollen, Taktik usw. widersprechen dem Liebesgebot. Menschen, die dies tun, sind nicht wirklich vertrauenswürdig, auch wenn sie unzählige Talente haben und diese in das Leben der Glaubensgemeinschaft einbringen. Das sich nach außen abzeichnende Bild einer Kirche der Reibereien entspricht leider einer inneren Wirklichkeit, die durch tägliche Umkehr zur Liebe verändert werden kann.
Diese Realität ist viel schlimmer, als es der Alltag erahnen lässt. Wo kleinliche Streitigkeiten den Eindruck in der Öffentlichkeit bestimmen, hat die Gemeinschaft der Gläubigen ihren Auftrag verraten. Sie hält sich nicht an Wort und Beispiel Jesu: Wie kann sie ihn da noch glaubwürdig verkünden? Keine Sachfrage kann es wert sein, das Liebesgebot auch nur ein einziges Mal hintanzustellen.
Vielleicht geht es gar nicht mehr um eine Verkündigung des Evangeliums, wenn die internen Konflikte so reizvoll sind, dass weder Zeit noch Kraft für ein Wirken nach außen vorhanden wäre. Ein Zeichen dafür ist der mangelnde missionarische Eifer, der aufgrund einer oberflächlichen positiven Bewertung der „Welt“ vorübergehend ein wenig eingeschlafen ist. Kraft und Eifer haben nur liebende Menschen, die um das Zeugnis der Liebe in allen Situationen des Lebens ringen können. Die Vertrauenswürdigkeit der Kirche hängt damit engstens zusammen. Denn wo nicht geliebt wird, kann kein Vertrauen gewonnen werden.
Im Stammbuch einer christlichen Konfliktkultur gehört dieser Satz ganz an den Anfang: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.“
Es geht in jeder Begegnung um Jesus selbst, denn seinem Beispiel der Liebe soll ein Jünger folgen. Wo er dies nicht tut, wird Jesus nicht geliebt, wird Jüngerschaft nicht realisiert. Was übrig bleibt, ist eine Glaubensabschreckung, weil es dem sogenannten Jünger de facto um vieles, aber nicht wirklich um das Evangelium geht. In dieser Stunde der Kirche unseres Landes kippt das herrliche und in dieser Weise wohl einzigartige Liebesgebot Christi im Sinn einer christlichen Konfliktkultur in eine ernste Warnung. Aber es bleibt zugleich ein Auftrag, der eine Veränderung bewirken kann, wie sie allein sinnvoll ist – in der Liebe.