„Es verändert sich“ – zu den Logiken von Suchprozessen
Wir sind mittendrin in Veränderungsprozessen in der Kirche. Wir suchen nach neuen Formen, neuen Strukturen, neuen Orten. Schon lange merken wir, dass vieles verloren gegangen ist, nicht mehr greift, nicht mehr ankommt. In unterschiedlichen Prozessen suchen wir in den Diözesen, in den Orden, in Dekanaten und Pfarrverbänden nach neuen Wegen. Der Druck ist groß. Immer wieder gibt es neuen Elan und zwischendurch Müdigkeit und Frust. Wir sind hineingestellt in einen Transformationsprozess mit unvorhersehbarem Ausmaß.
Im Kontakt mit jungen Kolleginnen und Kollegen oder mit den Studierenden bin ich oft überrascht über ihre Kritik an Vorgängen und Strukturen in der Kirche, aber auch über ihre Zukunftsbilder. Sie haben ganz anderes im Sinn als ich. Ihre Hoffnungen, ihre Ideen sind manchmal außerhalb meines Denkhorizonts. Das tut gut, ist erfrischend, manchmal auch irritierend: Wie soll das gehen? Es ist zum großen Teil meine Generation, die derzeit so intensiv mit dem Suchen beschäftigt ist. Wie können wir gute Spuren legen, passende Wege eröffnen?
Zwischen Suchen und Finden
Ein Gedanke von Pablo Picasso trifft mittenhinein in diese Spannung. Er schreibt: „Ich suche nicht – ich finde. Suchen – das ist Ausgehen von alten Beständen und ein Finden-Wollen von bereits Bekanntem im Neuen. Finden – das ist das völlig Neue! Das Neue auch in der Bewegung. Alle Wege sind offen und was gefunden wird, ist unbekannt. Es ist ein Wagnis, ein heiliges Abenteuer!“
Wir sind es gewohnt, die Bewegung vom Suchen zum Finden als eine Dynamik, als einen Prozess zu sehen und zu verstehen. Das Suchen ist der Ausgangspunkt. Das ist die vertraute Logik.
Picasso dreht das gewissermaßen um und auch Goethe nimmt uns in eine andere Logik mit hinein. Sein Gedicht „Gefunden“ beginnt so:
„Ich ging im Walde so für mich hin,
und nichts zu suchen, das war mein Sinn.
Im Schatten sah ich ein Blümchen steh'n,
wie Sterne leuchtend, wie Äuglein schön.“
Hier entdecke ich ein Finden, dem kein Suchen vorausgeht. Mit diesen Gedanken und Bildern von Picasso und Goethe schaue ich auf unsere Struktur- und Veränderungsprozesse in der Kirche. Meistens, so scheint mir, sind wir eingespannt in der Logik des „Suchens, um zu finden“. Am Beginn eines Prozesses legen wir die Ziele fest, wir umschreiben möglichst genau das Gesuchte. Wie sonst sollen wir uns auf den Weg machen? Wir haben viel gelernt und übernommen von den Organisationsentwicklungs-Expert/innen. Das soll nicht schlechtgeredet werden. Strukturierte Prozesse haben in den letzten Jahren in unserer Kirche vieles ermöglicht. Ich will auch die Logik des „Suchens, um zu finden“ nicht ausspielen gegen die Logik des „Findens, ohne zu suchen“. Es bringt nichts, die Spirituellen gegen die Macher auszuspielen und umgekehrt. Die Spannung gilt es, in uns selbst auszutragen, in uns als Einzelpersonen und in unseren Gremien.
Engagement und Gelassenheit
Es gibt dieses etwas kryptische Wort, das dem hl. Ignatius zugeschrieben wird: "Wir müssen so auf Gott vertrauen, als ob alles von uns, nichts von Gott abhinge. Wir müssen unsere Kräfte aber so einsetzen, als ob alles von Gott, nichts von uns abhinge." (Zu diesen Überlegungen vgl.: Vitus Seibel SJ, Entschluss 52 (1997) 25-27)
Die erste Hälfte des Spruches erinnert mich an das Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14-30). Das größte Vertrauen auf Gott hat der, der sich von ihm herausfordern lässt zum Tun. Gott will durch uns wirken. Er hat uns mit Begabungen ausgestattet. Er schenkt uns Verstand und Wirkkraft. Es ist keine überhebliche Sache, aktiv zu sein. Gott ruft uns in die Verantwortung.
In der zweiten Hälfte geht es darum, dass wir die Verbissenheit aus unseren Aktionen nehmen. Wir müssen nicht meinen, dass das Reich Gottes nicht gelingt, wenn wir nicht eigenhändig und sofort alles reparieren, was schief geht. Und wenn wir nicht weiter wissen, brauchen wir nicht hyperaktiv zu werden.
Vitus Seibel beschließt seine Überlegungen folgendermaßen: „So kann schließlich eine Haltung entstehen und immer mehr wachsen, die engagierten Ernst und heilige Sorglosigkeit in fruchtbringender Spannung zu kombinieren weiß. Keine schlechte Mischung, wie mir scheint, damit das Reich Gottes komme.“
Anna Findl-Ludescher
(Assistenzprofessorin für Pastoraltheologie,
geschäftsführende Vorsitzende des Österreichischen Pastoralinstituts)